UmweltNachrichten Heft 1/2003 zur Liste | home

Müll international

Die Baseler Konvention

Der Mensch ist immer noch der beste Entsorger für Müll (engl: waste, franz: ordures, span: basura, dänisch: skrald, polnisch: smieci, etc.), insbesondere wenn es um problematischen Müll, zum Beispiel Chemikalien geht.

Erst letztes Jahr war „Hormonzucker“ in aller Munde. Wie das Medroxy-Progesteron-Azetat (MPA) zwei Jahre lang zu Tierfutter und Limonade beigemischt werden konnte, ist letztlich von der irischen Umweltbehörde (EPA) aufgeklärt und am 17. Juli 2002 bekannt gegeben worden. Der bedenkliche Müll fällt bei der Produktion von Antibabypillen und anderer Hormonersatzpräparate an. In diesem Fall bei der Firma Wyeth Medica Ireland. Zur Entsorgung ihrer Abfälle beauftragte sie im Juli 2000, die irische Cara Environmental Technology Ltd. Die als Abfallmakler tätige Firma verdünnte die Abfälle und deklarierte die Lösung als Zuckerwasser. Empfänger war die in Belgien ansässige Firma Bioland Liquid Sugars, die damit einen konkurrenzlosen Preis für ihren Zuckersirup kalkulieren konnte. Kein Wunder, dass beispielsweise deutsche Limonadenhersteller und -vertriebe an diesem Schnäppchen interessiert waren.

Das mag nicht die Regel sein, aber der Umgang mit Müll stellt uns modernen Menschen offenbar vor ein großes Problem. Deswegen tagten vom 9. bis 14. Dezember letzten Jahres Vertreter aus 152 Staaten zur sechsten Konferenz über das Baseler Abkommen.

Das Abkommen, das unter dem Dach des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) eingerichtet wurde, ist eines der größten dieser Art. Die Größe des Problems wiederspiegelt sich in den geschätzten 400 Millionen Tonnen, für Mensch und Umwelt giftigen Mülls, die weltweit und pro Jahr anfallen, wie von Konferenzteilnehmern mitgeteilt wurde. Man beachte dabei das Wort „giftig“; es geht also nicht um Pappe und Papier, sondern um Schadstoffe, Pestizide und solch ähnliches Zeug - also Sondermüll.

Irrwege des Mülls

Als im Jahre 1972, u.a. als Folge des Brundtland Berichtes der Begriff Umwelt politisch wahrgenommen und ministeriell besetzt wurde, stand Müll als Gefahrgut neben der Einschränkung von Lebensmittelzusatzstoffen ganz oben auf der Prioritätenliste. Zuvor war der Mensch als Müllschlucker, vielleicht sogar aus Unwissenheit, selbstverständlich. Jedenfalls führte die Müllbeseitigung zu grundsätzlichen Veränderungen und damit auch zu Problemen, denn anstatt der 50 000 Müllkippen in der alten BRD wurden 1 000 Deponien in Anspruch genommen und die kosteten Geld. Im Gegensatz zu Müllkippen sind Deponien zur Umgebung hin abgeschirmt, womit Grundwasser und Boden entlastet werden sollen.

Ein Ausweg aus der grundsätzlichen und jetzt zusätzlich noch finanziellen Misere fand sich im grenzüberschreitenden Mülltransport. Beispielsweise Polen, das seit 1989 seine Grenzen öffnete und so zur „Giftmüllkippe Osteuropas“ werden sollte. Im Jahre eins nämlich, nachdem sich zwei deutsche Staaten einigten war klar, der Weg ins Nachbarland ist kurz, und die Verschiebung für Altöle, Klärschlamm und was es sonst noch so alles gibt, aber nicht gebraucht wird, ist billig und legal. Doch in dieses moralisch bedenkliche Müllschieber-Milieu mischten sich auch „Umweltschützer“ ein. Greenpeace, vielen nur bekannt als eine Horde spektakulärer Aktivisten, leiteten Giftexport-Kampagnen und Rückholaktionen ein, worauf polnische Regierung das bis dahin laxe Importverbot verschärfte. Mit ihrer Recherche für Polen listete die Umweltorganisation 72 westeuropäische Unternehmen auf, die ihre Abfälle in Polen „absetzen“ wollten. Elektronikschrott, infektiöser Klinikmüll, dioxinhaltige Lösungsmittel, alte Farben und Lacke waren für polnische Deponien und Recyclinganlagen bestimmt - nur, die gab es praktisch nicht. Dennoch fanden 77 000 Tonnen „Giftmüll“ (teils verknüpft mit Technologietransfer) bis Ende 1994 den Weg nach Polen. Und darüber hinaus, 2500 Tonnen für Rumänien, 470 Tonnen für Albanien, 2400 Tonnen für Bophal in Indien, etc., etc. und das ist nur das was aufgedeckt wurde.

Erst 1996 sieht eine Richtlinie (96/61/EG) des Europäischen Rates Maßnahmen zur Vermeidung und, sofern dies nicht möglich ist, zur Verminderung des Mülls vor. In diesem Zusammenhang wurde die BRD angemahnt, weil in deren Gesetzgebung keine wiederverwertbaren Abfälle vorgesehen sind. Dazu berichtete die in Paris herausgegebene Zeitung „Le Monde“ unter Berufung auf Unterlagen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD, deren Sitz ebenfalls in Paris ist), dass drei Viertel der gefährlichen Abfallstoffe in Europa, die auf etwa 30 Millionen Tonnen geschätzt werden, sowohl hinsichtlich ihrer Herkunft als auch ihrer Zusammensetzung unbekannt sind und dass u.a. Deutschland (ein Mitglied der OECD) keine Zahlen über das Müllaufkommen vorgelegt hat.

Müll ist also kein nationales Problem.

Das Abkommen

Die Homepage des Baseler Abkommens finden Sie unter:

www.basel.int

(siehe auch: PIC und POPs)

Um dem Müllschieber-Milieu (toxic traders), also den Schadstoffhandel aus den Industrienationen in Entwicklungsländer sowie Osteuropa, gegen Ende der 1980er Jahre entgegenzuwirken, wurde unter der Mitwirkung von 115 Staaten eine Vereinbarung getroffen, die den grenzüberschreitenden Transport von gefährlichen Abfällen begrenzt und regelt. Sie wurde am 22. März 1989 in Basel von 35 Staaten unterzeichnet und trat am 5. Mai 1992 in Kraft. Zu den 35 Pionieren des Baseler Übereinkommens gehörten u.a. Arabische, Europäische und Lateinamerikanische Staaten, China, Kanada und Russland.

Die Vereinbarung wurde geschaffen, um Bedenken bezüglich des Management, der Entsorgung und der grenzüberschreitenden Verbringung von gefahrstoffhaltigem Müll Sorge zu tragen. Zum Prinzip des Abkommens werden drei Punkte hervorgehoben:

  • Die grenzüberschreitende Verbringung gefährlichen Abfalls sollte gemäss den Grundsätzen umweltgerechten Handelns (ESM: environmentally sound management) auf ein Minimum reduziert werden.
  • Gefährlicher Abfall sollte so nah wie möglich am Entstehungsort behandelt und entsorgt werden.
  • Das Aufkommen gefährlichen Abfalls sollte reduziert und am Entstehungsort minimiert werden.

Unter ESM versteht das Abkommen insbesondere: wie anfallender Giftmüll zu vermeiden ist, strenge Kontrollen von der Entstehung bis zur endgültigen Entsorgung des Mülls und schließlich die Entwicklung von Verfahren, um die Gefahr, die von Stoffen ausgeht, einzuschätzen damit treffende Schutzmaßnahmen ergriffen werden können.

Die wesentliche Aufgabe der Arbeitsgremien in den ersten zehn Jahren (also bis 1999) bestand darin, für das Abkommen einen Rahmen abzustecken, der die Formen der Kontrolle beim Müllverbringen über internationale Grenzen hinweg vorsieht. Weiterhin war die Entwicklung der ESM-Kriterien und der Aufbau eines Kontrollsystems, beispielsweise für das Aufspüren und konsequenterweise Verhindern von illegalen Müllverschiebungen, von zentraler Bedeutung.

Diese Arbeit war nicht immer leicht, denn einige, sich dem Abkommen anschließende Staaten hatten andere Vorstellungen. So gab es Änderungen, an denen auch die BRD Einfluss nahm. Dabei geht es u.a. um zwei Protokolle, die als Anhang der Konvention geführt werden. Ein Anhang enthält eine Liste der Abfälle, für die ein Exportverbot besteht, der andere enthält eine Liste jener Abfälle, die unter Vorbehalt der jeweiligen Landesgesetze exportiert werden können. Das diese Nachträge eher einem Aufweichen gleichen macht sich auch darin bemerkbar, dass zwar die BRD im April 1995 zwar das Abkommen ratifizierte, die Nachträge jedoch erst in der Form akzeptierte, wie sie bis zum Mai 2002 vorlagen; war nicht heißt, dass sie unterschrieben sind! Unterzeichnet wurden die Nachträge, die am 6. November 1998 in Kraft traten, bisher erst von 34 Staaten.

Auf der letzten Sitzung vom Dezember wurde denn auch klar, so einige Beobachter, dass das Baseler Abkommen in seiner Gesamtheit kaum zu verwirklichen ist, solange das Aufkommen von Giftmüll nicht weltweit minimiert wird. Das die USA die Vereinbarung bisher nicht angenommen haben, bedarf wohl keiner weiteren Erklärung.

Heinz Wohlgemuth

 

Die Redaktion Umwelt, am 15. März 2003       – ugii Homepages –