Umweltpanorama Heft 4 (Mai 2004) | zur Liste | home | |||
Handyrecycling |
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Mobile Telefone wurden in den 1980er Jahren entwickelt. Sie waren teuer, schwer und wurden deshalb nur von wenigen Menschen gekauft. Heute wiegen Handys etwa 90 Gramm, bestehen aus zirka 800 Einzelteilen und werden von rund 500 Millionen Menschen genutzt. Die stark gestiegenen Verkaufszahlen, problematische Werkstoffe und größere Materialvielfalt heben die Vorteile des Miniaturisierens auf. Erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt sind mit dem Herstellen, Nutzen und Entsorgen verbunden. Um ein Handy herzustellen wird etwa das 450-fache des Eigengewichtes an Material aus der Natur entnommen. Die Berechnungsgrundlage liefert das MIPS-Konzept (Materialinput per Serviceeinheit) des Wuppertaler Institutes für Klimaforschung. Würde man dieses Konzept auf die Produktion und den Betrieb der Sendeanlagen ausdehnen, entspräche jede SMS einer Materialentnahme aus der Natur von 190 Gramm. Neben der Materialentnahme und ihren Auswirkungen in den rohstoffproduzierenden Ländern und den Auswirkungen der immensen Transporte rund um den Globus, gibt es Diskussionen über den Verbleib von Altgeräten. Bis zu 20 Millionen Mobiltelefone könnten in Deutschland jährlich in Mülltonnen landen. Um einerseits dem Verlust wertvoller Materialien vorzubeugen und anderseits schädliche Emissionen zu verhindern, hat das Europäische Parlament Richtlinien über Elektro- und Elektronik-Altgeräte 1) und über die Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten beschlossen 2). Die europäischen Richtlinien müssen bis 13. August diesen Jahres in nationales Recht umgesetzt sein. Der Arbeitsentwurf des deutschen Gesetzes über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (ElektroG) befindet sich in der Diskussionsphase. Inhaltlich entsprechen die Hauptziele denen der EG-Richtlinien:
Die Verpflichtungen zur Behandlung, Verwertung und Beseitigung der Geräte, die den Herstellern auferlegt wurden, basieren auf dem Prinzip der Produktverantwortung. Indirekt werden Hersteller gezwungen, den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte zu betrachten und in ihre betriebswirtschaftlichen Kalkulationen einzubeziehen. Die von den Herstellern zu finanzierenden Rückgabemöglichkeiten für Elektro- und Elektronikgeräte müssen spätestens zum 13. August 2005 von allen Mitgliedern der Europäischen Union flächendeckend eingerichtet sein. Für Gerätenutzer in Berlin wird sich wenig ändern, da sie wie bisher Altgeräte kostenlos bei den Sammelstellen der BSR-Recyclinghöfe abgeben können. Die Weitergabe von gebrauchten Handys an Unternehmen wie Greener Solutions und Interseroh über Läden, auf dem Postweg oder Sammelbehälter in Schulen umfasst in Deutschland etwa ein Drittel aller Altgeräte. Handys werden in den Firmen durchgecheckt, wenn nötig repariert und für bis zu 200 Dollar in Entwicklungsländern verkauft. Nach Außen wird von den beteiligten Herstellern wie Vodafone und Telekom damit geworben 5 Euro für einen guten Zweck zu spenden. Das mag sein, sicher ist aber auch, dass sie bislang Entsorgungskosten sparen. Ungeklärt ist bisher wie lange die weiterkauften Handys funktionieren und wo sie nach Gebrauch bleiben. Rücknahmewege wie sie bei uns bereits funktionieren sind in Afrika, Südamerika oder den größten Teilen Asiens nicht vorhanden. Chinesischen Nachrichtenagenturen zufolge sind Umweltschäden durch Elektronikschrott aus dem Westen weit verbreitet. Die Situation in Deutschland Was geschieht mit den zwei Drittel der gebrauchten Handys, die nicht an Händler oder andere Zweitnutzer weitergegeben werden? Zunächst einmal ist zu vermuten, dass sich viele Althandys noch in Schubladen, Kartons und Kisten ihrer Besitzer befinden. Was aber geschieht mit den Handys die beispielsweise über die Berliner Recyclinghöfe abgegeben werden? Handyrecycling, im eigentlichen Wortsinne, gibt es bisher nicht, da Recycling die Wiedernutzbarmachung der ursprünglichen Materialeigenschaften voraussetzt. Dazu müsste man Handys entweder komplett zerlegen oder die Materialien anders voneinander separieren. Das bisher übliche Recycling besteht im Schreddern, anschließender Edelmetallraffination und Kupferschmelze. Etwa 15 Prozent der Materialmasse können so zurück gewonnen werden. Derzeit wird im Rahmen eines Sonderforschungsbereiches an der Technischen Universität Berlin eine Versuchsstation für Handy-Demontagefabriken entwickelt. Dabei haben es die Ingenieure mit unzähligen Varianten bei Einzelteilen wie Gehäusen und Platinen zu tun, weil es heute weltweit mehr als 2000 verschiedene Handytypen gibt. Für jedes Modell braucht die Steuerung der Demontagemaschine eine eigene Software. Aber selbst mit Kenntnissen über den Aufbau, können bisher lediglich Gehäuse, Platinen und Komponenten die nicht verlötet sind wie Mikrophon oder Lautsprecher demontiert und damit voneinander getrennt werden. Weiterführende Recyclingstrategien benötigen genauere Kenntnisse über die Zusammensetzung aller Bauteile. Über solche Informationen verfügen aber in der Regel noch nicht einmal die Hersteller selbst, da sie von ihren Zulieferern Bauteile mit bestimmten Eigenschaften, aber nicht mit bestimmten Materialzusammensetzungen kaufen. Um sich gegen die Verwendung bestimmter Schadstoffe abzusichern, haben inzwischen einige Hersteller Negativlisten eingeführt. Generell gilt, dass mehr als 80 Prozent der Umweltauswirkungen eines Produktes in der Entwurfsphase festgelegt werden und später nur mit hohem Aufwand abzuändern sind. Im Berliner Fraunhofer Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration wird gegenwärtig ein Verfahren etabliert, welches der Abschätzung und Bewertung von Umweltwirkungen elektronischer Produkte dient. Die so genannte IZM TEE-Toolbox ordnet den Materialanteilen jedes Bauteils eigens berechnete Schad- und Recyclingpotentiale zu. So können fundierte Empfehlungen für oder gegen Materialien ausgesprochen werden. Material-Positivlisten für die gesamte Branche scheinen auf diese Weise möglich. Und der Druck auf die Branche wächst. Denn ab dem 1. Juli 2006 tritt die oben erwähnte EU-Richtlinie in Kraft, die die Hersteller zum Verzicht auf Schadstoffe wie Blei, Cadmium, Quecksilber, Chrom und bromierte Flammschutzmittel zwingt. Zukunftsvisionen Schon jetzt sind die Hersteller damit beschäftigt Handys zu konstruieren, die weniger Schadstoffe enthalten und deren Bestandteile sich effektiver wiederverwerten lassen. Schon im Entwurf des Mobiltelefons von morgen soll die spätere Rücknahme, Demontage und das Recycling berücksichtigt werden. Dabei erhält möglichst jedes Bauteil eine Kennung, so das die Demontageroboter der Zukunft selbstständig feststellen können, welche Zusammensetzung das Handy hat, wie alt die Bauteile sind und mit welchem Werkzeug sie das vorliegende Gerät demontieren können. Christine Schmidt 1) Richtlinie 2002/96/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 2003 über Elektro- und Elektronik-Altgeräte, Amtsblatt der Europäischen Union L 37 (2003) 24 und Richtlinie 2003/108/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Dezember 2003 zur Änderung der Richtlinie 2002/96/EG über Elektro- und Elektronik-Altgeräte, Amtsblatt der Europäischen Union L 345 (2003) 106 2) Richtlinie 2002/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 2003 zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten, Amtsblatt der Europäischen Union L 37 (2003) 19 |
Die Redaktion Umwelt, am 17. Mai 2004 | ugii Homepages |