Umweltpanorama Heft 2 (Dezember 2003) | zur Liste | home | ||||||
Lasst die Korken ruhig knallen ... und lasst sie schreddern für den Kranichschutz! |
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Umweltbewusste Weinfreunde aufgepasst: Sie können Ihr Lieblingsgetränk genießen, ohne Gewissensbisse zu bekommen! Seit einigen Jahren werden in Berlin nämlich nicht nur die leeren Flaschen, sondern auch die Korken gesammelt. Das lohnt sich, denn jedes Jahr fallen bundesweit schätzungsweise 1,2 Milliarden Stück an. Die hiesige Sammelaktion wurde 1995 vom Umweltamt Tiergarten gestartet. Inzwischen kommen in Berlin jährlich etwa drei Millionen Naturkorken zusammen. Weinkorken werden aus der Rinde der im westlichen Mittelmeerraum heimischen Korkeiche hergestellt. Die Bäume bilden den Kork als Teil ihrer Rinde zum Schutz gegen Hitze, Austrocknung und Infektionen aus - und das bis zu einer Dicke von 30 Zentimetern! Korkeichen werden gut 150 Jahre alt. Der Kork kann zum ersten Mal nach 25 Jahren und dann etwa alle 10 Jahre abgeschält werden, ohne den Bäumen zu schaden. Die Ernte in Spanien und Portugal erbringt 25 Milliarden Korken im Jahr. Kork ist ein vielseitiges Material mit besonderen Eigenschaften, die man schon im Altertum kannte. Er ist leicht, fest, elastisch und für Luft durchlässig. Wasser dagegen kann ihn nicht durchdringen. Schon die alten Griechen und Römer nutzten ihn daher zum Verschließen von Flaschen, Amphoren oder Rohren. Auch bei der Schuhherstellung fand Kork früh Verwendung. In der Renaissance trug die modisch elegante Dame die ersten Pumps - mit Korksohle.
Bei diesen vielfältigen Möglichkeiten der Verwendung war die Sammlung zur Wiederverwertung schon lange überfällig. Zudem geht der Bestand an Korkeichen deutlich zurück. Es ist noch ein Rätsel, warum das so ist. Vielleicht sind sie krankheitsanfälliger als andere Laubbäume. Jedenfalls ist Recycling auch aus diesem Grund wichtig geworden. Der gesammelte Kork wird von Berlin nach Kehl am Rhein transportiert. Dort wird er in einem Rehabilitationszentrum für Epilepsiekranke zu einem Dämmstoffgranulat verarbeitet. Dieses Projekt ist so erfolgreich, dass mehrere feste Arbeitsplätze für Behinderte geschaffen werden konnten. Die Geschäftsidee wurde daher mittlerweile auch von verschiedenen gemeinnützigen Betrieben in anderen Bundesländern aufgegriffen, beispielsweise bei den Winterhuder Werkstätten für psychisch kranke Menschen in Schleswig-Holstein. Und was hat das alles mit Kranichen zu tun? Nun, das ist so: Während der warmen Jahreszeit beschützen die ehrenamtlichen Mitarbeiter vom Naturschutzbund (NABU) und World Wildlife Fund (WWF) die Brutgebiete der Kraniche bei uns in Deutschland. In Spanien dagegen, genauer in der Extramadura, wo die Korkeiche vor allem wächst, finden die Kranichzüge aus dem Norden ihre Überwinterungsplätze. Der hohe Bedarf an Naturkork führte zu Raubbau. Dadurch ist diese Landschaft gefährdet, in der neben den Kranichen auch selten gewordene Tiere wie Luchs und Wolf anzutreffen sind. Um den Lebensraum dieser Tiere zu schützen, wurde vom NABU in Hamburg das Projekt Korkkampagne ins Leben gerufen. Daran beteiligen sich bisher 1100 offizielle Sammelstellen in 14 Bundesländern. Hinzu kommen weit über hundert firmeninterne Sammelstellen. Alle Beteiligten der Korkkampagne, Sammler, Sammelstellen sowie Transporteure, arbeiten rein ehrenamtlich. Mit dem Erlös des Verkaufs von Dämmstoffgranulat aus Kork wird das Projekt Kranichschutz der Stiftung Europäisches Naturerbe (Euronatur) unterstützt. Kann man angesichts dieser Tatsachen noch zögern mitzuhelfen, den Rohstoff Kork für eine künftige Nutzung zu erhalten? Bis von der Forschung Mittel zur Gesundung oder andere Lösungen für den Erhalt der Korkeichen gefunden werden, sollte es von nun an bei uns Weinliebhabern heißen: Den Rebentrunk in Ruhe genießen, dann Flaschen und Korken fleißig sammeln und bitte ohne Kunststoff- oder Metallteile abliefern. Dr. Rainer Joachim Box |
Die Redaktion Umwelt, am 15. Dezember 2003 | ugii Homepages |