UmweltNachrichten Heft 2/2003 zur Liste | home

Erdwärmespeicher für ein Niedrigenergiehaus

Die Bibliotheken der Technischen Universität Berlin und der Hochschule der Künste (heute: Universität der Künste) in Berlin sind in ihren Stammgebäuden notdürftig untergebracht. Angesichts dieser Situation entwickelten die beiden Hochschulen zu Anfang der 80er Jahre aufgrund ihrer örtlichen Nähe ein Raumkonzept für einen gemeinsamen Bibliotheksbau. Das Raumprogramm der beiden Hochschulen wurde planerisch durch das Büro Jeromin Architekten umgesetzt und in einem Entwurf verwirklicht. Neben der hohen Funktionalität hatte die Einsparung von Energie in der Planung eine hohe Priorität, die sich im Konzept eines Niedrigenergiegebäudes konsequent niederschlug. Bisher ist der Bau dieser gemeinsamen Bibliothek noch nicht durch den Berliner Senat freigegeben.

Zentrales Ziel des Projekts war die Entwicklung eines integralen Energiekonzeptes, bei dem die Energie teilweise im Kreislauf geführt wird. Die durch Kühlung im Sommer gewonnene Wärmeenergie sollte in einem geeigneten Speicherbauwerk gesammelt und zur Ergänzung der Raumheizung im Winter verwendet werden.

Technische Ausführung

In die Betonkerne der Geschossdecken sollten Rohre eingegossen werden, durch die Wasser hindurchzirkulieren kann. Wenn das zirkulierende Wasser eine andere als die Raumtemperatur aufweist, findet ein Austausch von Wärmeenergie statt. Soll der Raum gekühlt werden, wird das geringer temperierte, im Betonkern zirkulierende Wasser Wärme aufnehmen und zum Speicher transportieren. Im Winter kann dann das erwärmte Wasser aus dem Speicher entnommen und auf die notwendige Vorlauftemperatur zum Heizen gebracht werden. Dadurch ist eine erhebliche Einsparung an Heizenergie möglich.

Als Wärmespeicher war das Erdreich vorgesehen. Der Austausch von Wärmeenergie sollte über eine mächtige Betonplatte in der Gründungssohle des Gebäudes stattfinden. Innerhalb dieser Betonplatte wäre über ein Röhrensystem die zu speichernde Wärmeenergie in das umgebende Erdreich weitergeleitet bzw. während der Heizperiode auch wieder dem umgebenden Erdreich entzogen worden. Bezeichnet wurde die Temperierung der Geschossdecken als „Betonkernaktivierung“ und die Betonplatte in der Gründungssohle als „Erdreichwärmetauscher“.

Die Geometrie des Gebäudes erlaubte es, dass ein Großteil des Wärmebedarfs sowie der gesamte Kältebedarf des Gebäudes durch die Kombination von Erdreichwärmetauscher und Betonkernaktivierung hätte gedeckt werden können. Als Wärmeträger sollte gewöhnliches Wasser verwendet werden. Aufgrund der großen wirksamen Fläche der Betonkernaktivierung hätte mit sehr kleinen Temperaturdifferenzen gegenüber Raumtemperatur gearbeitet werden können. Die Vorlauftemperaturen hätten im Heizfall 28 °C, und im Kühlfall 17 °C betragen.

Einfluss des Wärmespeichers auf die Umgebung

Da bei diesem Konzept die unterirdische Umgebung des Gebäudes einen wesentlichen Bestandteil desselben darstellte, galt es abzuschätzen, ob sich daraus schädliche Einflüsse auf die Umgebung ergeben könnten.

Temperaturvergleich

Vergleich von natürlichem Temperaturgang an der Grundwasseroberfläche sowie in zwei Meter Tiefe mit dem Temperaturgang an der Unterseite des Erdreichwärmetauschers (Simulation: A. Moschick).

An der Grundwasseroberfläche wird Wärmeenergie aus Sonneneinstrahlung, die den Oberboden erwärmt hat, eingetragen. Das passiert mit einer zeitlichen Verzögerung, so dass der maximale Wärmeenergieeintrag im September auftritt, der größte Wärmeentzug wegen der Abkühlung des Oberbodens im März. Zwei Meter unterhalb der Grundwasseroberfläche ist die Amplitude des Wärmeeintrags gedämpft und um etwa vier Wochen verschoben. Demgegenüber erfolgte der Eintrag von Wärme bzw. Kälte aus dem Erdreichwärmetauscher in das Grundwasser unmittelbar mit Maxima im Juli und im Januar.

Am vorgesehenen Standort für die neue Bibliothek liegt der Grundwasserspiegel nahe an der Geländeoberkante, das heißt, die Unterkante des Erdreichwärmetauschers hätte sich zwei Meter unterhalb des Grundwasserspiegels befunden.

Der Ein- und Austrag von Wärmeenergie bedeutet eine Veränderung der Grundwasserbeschaffenheit. Der Einsatz von Erdreichwärmetauscher ist somit nach dem Wasserschutzgesetz genehmigungspflichtig. Als Grundlage für die Genehmigungsprüfung wurde der Wärmetransport im Grundwasser und Grundwasserleiter mit einer numerischen Modellrechnung simuliert. Bei stagnierendem Grundwasser breiten sich die Wärme oder Kälte konduktiv aus (von den spezifischen Materialeigenschaften abhängige Wärmeleitung), bei Grundwasserströmung wird Wärme oder Kälte auch mit der Strömung transportiert. Für die wasserbehördliche Genehmigung haben wir mehrere Simulationen mit stagnierendem und unterschiedlich schnell strömendem Grundwasser durchgeführt.

Zunächst musste der natürliche Jahresgang der Grundwassertemperatur mit einer Simulation nachvollzogen werden, um die Überprägungen durch den Erdwärmespeicher quantifizieren zu können. Berücksichtigt wurde hierbei, dass im Berliner Innenstadtbereich die mittlere Temperatur des oberflächennahen Grundwassers 12 °C beträgt und damit gegenüber dem Mittelwert für diesen Breitengrad um 3 °C erhöht ist. Weiterhin wurde angenommen, dass der natürliche Temperaturgang durch die Versiegelung stark gedämpft ist.

Die Simulationen repräsentierten einen zweidimensionalen Schnitt durch den Grundwasserleiter und den Erdreichwärmetauscher. Für jede Fallstudie wurden zwei Simulationen durchgeführt, eine mit und eine ohne Erdreichwärmetauscher. Damit war es möglich, die betriebsbedingt auftretenden Abweichungen vom natürlichen Temperaturfeld darzustellen.

Der jahreszeitliche Temperaturgang des oberflächennahen Grundwassers an einem weitgehend versiegelten Standort schwankt um etwa 2 °C, wie aus Messungen bekannt ist (Umweltatlas Berlin). Der Einfluss des Erdreichwärmetauschers der geplanten Bibliothek, mit seiner spezifischen Wärmemenge und Fläche, sollte nach der Modellierung zwei Meter unterhalb des Grundwasserspiegels Temperaturabweichungen bis zu 1,5 °C verursachen (siehe Abbildung). Dabei breiten sich die vom natürlichen Temperaturfeld abweichenden Temperaturen bevorzugt vertikal aus. Für dieses Bauwerk bis zum Grundwasserstauer in 15 Meter Tiefe.

Der horizontale Einfluss des Erdreichwärmetauschers ist von der Grundwasserfließgeschwindigkeit abhängig. Im ungünstigsten Fall, bei einer Fließgeschwindigkeit von etwa 50 Metern pro Jahr, wären vom natürlichen Temperaturfeld abweichende Temperaturen bis in eine Entfernung von 30 Meter zu erwarten. Höhere Fließgeschwindigkeiten hätten eine starke Durchmischung des natürlichen und des betriebsbedingten Temperaturfeldes zur Folge, so dass die Temperaturdifferenzen vernachlässigbar klein würden.

Der Einfluss eines Erdreichwärmetauschers auf die Umgebung ist somit bei stagnierendem Grundwasser gering. Bei fließendem Grundwasser wäre zwar mit einer Wärme- oder Kälteverteilung in die Umgebung zu rechnen, die Effizienz des Erdreichwärmetauschers könnte hingegen gesteigert werden.

Dr. Anna Moschick
UDM, Berlin

 

 

Die Redaktion Umwelt, am 16. Juni 2003       – ugii Homepages –