Umweltpanorama Heft 13 (August 2006) zur Liste | home

Umweltschutz in der DDR

Das „Studienarchiv Umweltgeschichte“ des Instituts für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung e.V. an der Hochschule Neubrandenburg

Die Sammlung des Studienarchivs Umweltgeschichte umfasst Zeugnisse der Umweltforschung, der Umweltpolitik und besonders das Engagement des ehrenamtlichen Naturschutzes sowie der Heimatgeschichte und Denkmalpflege auf dem Gebiet der neuen Bundesländer. Das Studienarchiv befindet sich seit dem Jahre 1991 rechtlich in der Trägerschaft des Institut für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung e.V. (IUGR). Im Juni 2001 wurde das Institut Teil der Hochschule Neubrandenburg.

Deine Umwelt

Quelle: Plakatsammlung Studienarchiv Umweltgeschichte des IUGR e.V. an der Hochschule Neubrandenburg

Der Sammelschwerpunkt, der ursprünglich im wesentlichen auf die Arbeit des ehrenamtlichen Natur- und Umweltschutzes im Rahmen des Kulturbundes der DDR konzentriert war, hat sich mit dem wachsenden Archiv, neuen Aufgabenstellungen sowie mit einem größeren Interessentenkreis inzwischen deutlich erweitert. Hervorzuheben sind die Zugänge über den Naturschutz vor dem Jahre 1945 und die Zugänge, die Aufschluss über die kirchliche und oppositionelle Umweltbewegung in den 1980er Jahren geben. Das Studienarchiv basiert zum größten Teil auf unveröffentlichte Materialien wie Briefe, Protokolle, Tagungsmaterialien und sonstige interne Vorgänge aus den entsprechenden Institutionen.

Zustande kam der Dokumentenbestand im Studienarchiv Umweltgeschichte vor allem durch Schenkungen von Privatpersonen, die einst aktiv in den genannten Bereichen waren oder es noch sind. Also ehemalige Mitglieder der Gesellschaft für Natur und Umwelt (GNU), der Natur- und Heimatfreunde im Kulturbund der DDR, der Gesellschaft für Heimatgeschichte im Kulturbund, der Gesellschaft für Denkmalpflege im Kulturbund, der Akademie der (Landwirtschaft-)Wissenschaften der DDR, des Instituts für Landschaftsforschung und Naturschutz (ILN) oder universitärer Einrichtungen. Sie stellten damit Zeugnisse ihrer langjährigen beruflichen und ehrenamtlichen Tätigkeit zur Verfügung. Insgesamt haben bis heute (Stand: Juli 2006) mehr als 350 Einzelpersonen und Einrichtungen Dokumente gespendet. Der Umfang des Bestandes erreicht mittlerweile 750 laufende Regalmeter.

Ein lebendiges Projekt

Das Studienarchiv ist ein lebendiges Sammlungsprojekt. Einerseits durch Kooperationen mit verschiedenen Einrichtungen, wie der Stiftung Naturschutzgeschichte auf dem Drachenfels bei Königswinter oder der Stiftung Archive der Parteien und Massenorganisationen der DDR (SAPMO) im Bundesarchiv Berlin. Andererseits wird mit den Spendern und Spenderinnen von Material so viel wie möglich Kontakt gehalten.

Naturschutz 1961

Quelle: Plakatsammlung Studienarchiv Umweltgeschichte des IUGR e.V. an der Hochschule Neubrandenburg

Das IUGR versucht mit den Zeitzeugen und Zeitzeuginnen „ihre“ Geschichte vor dem Hintergrund der Entwicklung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen zu reflektieren. Mittlerweile haben für das IUGR über 150 Personen geschrieben. Die Aufarbeitung von einzelnen Aspekten der Natur- und Umweltschutzgeschichte, der Heimatgeschichte und Denkmalpflege auf dem Gebiet der neuen Bundesländer konnte auf diese Weise ein wichtiger Teil der Arbeit des Studienarchivs werden. Die Zusammenarbeit spiegelt sich in Form von Veranstaltungen und Veröffentlichungen wieder. Zum Beispiel gibt das IUGR einmal im Jahr seine kleine Zeitschrift „Studienarchiv Umweltgeschichte“ heraus; eine Publikation mit Beiträgen zur Umweltgeschichte der neuen Bundesländer und Informationen zur Arbeit mit der Sammlung. Außerdem veröffentlicht das Institut seit dem Jahre 1993 Aufsatzsammlungen und Monografien zu den genannten Themen.

Das IUGR hat weder Geld noch viele Mitglieder. Die Mitglieder arbeiten ehrenamtlich in einem großen und eng geknüpften Netzwerk von Personen und Institutionen, das sich mit der Bewahrung und kritischen Aufarbeitung der Geschichte des Natur- und Umweltschutzes auf dem Gebiet der heutigen neuen Bundesländer beschäftigt. Es gelang im Rahmen dieses Netzwerkes immer wieder, Drittmittel und Spenden einzuwerben, um zur Durchführung einiger Projekte – etwa die Wanderausstellung „Naturschutz im Wandel“ – auch Menschen in Lohn und Brot bringen zu können.

Erst kürzlich gelang es eine Förderung zur Erschließung der Archivalien im Studienarchiv Umweltgeschichte zu erreichen. Mit der Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur in Berlin wurde eine Partnerin gefunden, die zwei Jahre lang die professionelle Erschließung des Bestandes durch einen Archivar unterstützen wird. Damit werden unter anderem so wertvolle Unterlagen wie die der „Zentralen Lehrstätte für Naturschutz der DDR – Müritzhof“ oder die der „Biologischen Station Serrahn“ nutzbar gemacht.

Das Archiv

Neben den persönlichen Aufzeichnungen und Akten wächst auch der Bestand an Monographien und Periodika ständig. Gegenwärtig beinhaltet das Studienarchiv rund 900 Serientitel mit periodischer Erscheinungsweise. Zu den Serientiteln sind zirka 25 000 Einzelhefte vorhanden. An Monographien gibt es mittlerweile zirka 12 000 Exemplare, wovon bisher die Hälfte bibliothekarisch erfasst sind. Die inhaltlichen Schwerpunkte der Sammlung umfassen folgende Bereiche:

  • Umwelt- und Naturschutz im Rahmen der ehrenamtlichen Tätigkeit innerhalb des Kulturbundes auf lokaler, regionaler und DDR-Ebene

  • Literatur unterschiedlicher Fachgebiete mit Umweltrelevanz wie Philosophie, Soziologie, Naturwissenschaften, Umweltpolitik, praktischer Umweltschutz, Belletristik mit Umweltschutzbezug und Kinderbücher, ausgewählt unter Umwelterziehungs-Aspekten

  • Fachliteratur vor 1945 und nach 1990.

Dem Archiv sind auch eine ganze Reihe von Materialien zugegangen, die sich nicht in den Rahmen „Literatur“ einordnen lassen. Dazu gehören Fotos, Dias, Filme, Plakate, Karten, Lagepläne, Wimpel, Abzeichen und ähnliches, also Materialien, die ebenfalls Zeugnisse des „Lebens im und für den Naturschutz“ sind und sich beispielsweise sehr gut für Ausstellungen eignen.

Veranstaltungen und Veröffentlichungen

Unter dem Titel „Landschaftsdiagnose der DDR“ richtete das IUGR zusammen mit dem Fachbereich Umwelt und Gesellschaft der Technischen Universität Berlin im Jahre 1998 erstmals eine Tagung aus. Damit löste sich das IUGR von der bis dahin eher passiven Rolle und wendete sich neben der Archivierung zur Öffentlichkeitsarbeit hin. Bis heute veranstaltete oder beteiligte sich das Studienarchiv an elf Tagungen. Neben diesem wissenschaftlichen Engagement organisierte das IUGR gleichzeitig Ausstellungen. Damit bietet sich auch der breiten Öffentlichkeit eine Gelegenheit, die Sammlungsbestände des Studienarchivs Umweltgeschichte einzusehen. Die erste Ausstellung „Naturschutz hat Geschichte“ wurde auf dem 34. Deutschen Naturschutztag in Dresden 1998 gezeigt.

Naturschutz im Wandel

Die Landschaftsarchitekten Robert Bender und Andreas Köberle erarbeiteten im Rahmen ihrer Diplomarbeit an der Hochschule Neubrandenburg eine digitale Version der Wanderausstellung „Naturschutz im Wandel“, die als CD-ROM erschienen ist. In der digitalen Ausstellung wird die Geschichte des Naturschutzes in fünf ausgewählten Landschaften (Müritz-Seenlandschaft, Lüneburger Heidelandschaft, Moorlandschaft Friedländer Große Wiese, Industrielandschaft Ruhrgebiet und Mittelgebirgslandschaft Sächsische Schweiz) von den Anfängen bis in die Gegenwart dargestellt. In die CD wurden neben Texten, Bildern und Plakaten auch naturschutzgeschichtlich bedeutsame Filmsequenzen mit einer Gesamtlänge von über einer Stunde integriert. Die Diplomarbeit erhielt einen Preis des Fördervereins der Hochschule Neubrandenburg. Für die Veröffentlichung wurde die digitale Ausstellung erweitert und ergänzt (erhältlich über das IUGR zum Selbstkostenpreis von 10 Euro).

Institut für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung e.V.
Hochschule Neubrandenburg
Brodaer Straße 2
17033 Neubrandenburg
E-Mail: info@iugr.net
www.iugr.net

Mit der Beteiligung mehrerer unterstützender Einrichtungen entwickelte sich daraus die Wanderausstellung „Naturschutz im Wandel – vom Reservatsnaturschutz zur Landschafts-Agenda 21“, die im April 2001 in der Staatlichen Vogelschutzwarte Seebach eröffnet wurde. Derzeit steht sie anlässlich des Jubiläums „100 Jahre staatlicher Naturschutz“ im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg (Niedersachsen). Die Wanderausstellung ist zwischenzeitlich auch digitalisiert worden (siehe Kasten).

Eine dritte Ausstellung mit dem Thema „Grober Unfug – Natur- und Umweltschutzplakate aus vier Jahrzehnten DDR“ steht seit März 2006 in den Räumen der Stiftung Naturschutz Berlin. Mittels 60 Natur- und Umweltschutzplakaten wird der Wandel, dem dieser Themenkomplex seit Ende der 1940er Jahre bis zum Ende der DDR unterlag, gezeigt.

Ein anderes, ehrgeiziges und bisher einmalige Vorhaben ist die Arbeit an einem Lexikon der Naturschutzbeauftragten in Ostdeutschland. Hier werden alle Kreis-, Bezirks-, Landes- oder Provinznaturschutzbeauftragten, die auf dem heutigen Gebiet der neuen Bundesländer im Zeitraum zwischen 1906, seit Gründung der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen, und heute im Jahre 2006 tätig waren oder es noch sind erfasst und mit biographischen Angaben gewürdigt. Die Informationen für die Lexika kommen einerseits durch eine Umfrage unter den noch erreichbaren ehemaligen oder noch tätigen Naturschutzbeauftragten zusammen, andererseits durch Archiv- und Literaturrecherchen. Von den fünf geplanten Bänden befindet sich das Lexikon für Mecklenburg-Vorpommern bereits im Druck und für Sachsen-Anhalt ist das Manuskript fertig gestellt und wird voraussichtlich auch noch im Jahre 2006 erscheinen. Die Lexika für die anderen neuen Bundesländer einschließlich Berlin sollen 2007 und 2008 folgen.

Darüber hinaus wurde in den vergangenen drei Jahren ein voluminöser Sammelband zur Geschichte des Umweltschutzes und der Umweltgestaltung in der DDR zusammengestellt, an dem sich 45 Autoren und Autorinnen beteiligten. In drei Bänden werden gesellschaftliche Rahmenbedingungen für die Umweltpolitik der DDR, mediale Aspekte des Umweltschutzes sowie ehrenamtliche und wissenschaftliche umweltschutzbezogene Arbeiten oder Einrichtungen dargestellt. Dieses Werk wird voraussichtlich ebenfalls noch in diesem Jahr erscheinen.


Prof. Dr. Hermann Behrens
Hochschule Neubrandenburg

Veröffentlichungen (eine kleine Auswahl)

H. Behrens, U. Benkert, J. Hopfmann, U. Maechler, Wurzeln der Umweltbewegung: Die Gesellschaft für Natur und Umwelt im Kulturbund der DDR, Forum Wissenschaft Studien 18, Marburg 1993

H. Paucke, Ökologisches Erbe und ökologische Hinterlassenschaft, Forum Wissenschaft Studien 34, Marburg 1995

H.Behrens, Von der Landesplanung zur Territorialplanung – Zur Entwicklung der räumlichen Planung in der SBZ/DDR von 1945 bis Anfang der 60er Jahre, Forum Wissenschaft Studien 41, Marburg 1997

Institut für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung e.V. (Hrsg.), Naturschutz in den neuen Bundesländern – ein Rückblick, 2 Halbbände, Forum Wissenschaft Studien 45/1 und 45/2, Marburg 1998, 2. Aufl. Berlin 2002

H. Behrens (Hrsg.), Landschaftsentwicklung und Landschaftsplanung in der Region „Mecklenburgische Seenplatte“, Neubrandenburg 2000

Institut für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung e.V. (Hrsg.), H. Behrens & M. Grünwald (Bearb.), Naturschutzgebiete im 21. Jahrhundert, Berlin 2002

Institut für Umweltgeschichte e.V./ Stiftung Naturschutzgeschichte (Hrsg.), H. Behrens & J. Hoffmann, Die „Gesellschaft für Denkmalpflege im Kulturbund der DDR“, in: Studienarchiv Umweltgeschichte, Nr. 8/2003, Seite 31-44

Institut für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung e.V. (Hrsg.), H. Behrens & H. Hoffmann (Bearb.), Umweltschutz in der Deutschen Demokratischen Republik, 3 Bände, oekom-Verlag, München (erscheint 2006)


     Die Redaktion Umwelt, am 14. August 2006 – ugii Homepages –