Umweltpanorama Heft 13 (August 2006) | zur Liste | home | |||||||||
Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie Umsetzungsstand, Probleme und Potentiale |
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Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie trat am 22. Dezember 2000 als Richtlinie 2000/60/EG in Kraft. Hinter dieser technokratisch anmutenden Bezeichnung verbirgt sich ein Regelwerk, das erstmals einen einheitlichen wasserpolitischen Ordnungsrahmen innerhalb der Gemeinschaft bildet. Durch diese Richtlinie wird das bis dato in viele Einzelrichtlinien zersplitterte Wasserrecht der EU gebündelt. Gleichzeitig wird die aquatische Umwelt nicht mehr nur als nutzbare Infrastruktur betrachtet, sondern als Ökosystem, als Lebensraum für Flora und Fauna. Durch diesen integrativen Ansatz wird der Gewässerschutz um eine neue Dimension erweitert. Richtete sich der Fokus bisher hauptsächlich auf die lokale Sanierung der Wasserqualität, schreibt die neue Richtlinie die Verbesserung der Gewässerqualität nach chemischen, biologischen und ökologischen Kriterien vor und fordert als Hauptziel die Herstellung eines guten Zustandes für alle Oberflächengewässer in der europäischen Gemeinschaft. Zudem gilt ein generelles Verschlechterungsverbot. Für das Grundwasser sollen sowohl ein guter chemischer Zustand als auch ein guter mengenmäßiger Zustand hergestellt werden. Ein weiteres Novum stellt der geografische Ansatz des Gewässerschutzes dar, der sich nicht an administrativen Grenzen sondern am Einzugsgebiet der Gewässer orientiert. Als Einzugsgebiet gilt der gesamte Bereich, den das Gewässer in Anspruch nimmt bis es in das Meer gelangt, samt aller Zu- und Abflüsse oder Seen. Diese Einzugsgebiete werden durch die EU-Mitgliedsstaaten in Flussgebietseinheiten organisiert und bewirtschaft. So können auch kleinere in das Meer mündende Gewässer sinnvoll in Planungsräumen zusammengefasst werden. Den Flussgebietseinheiten sind auch die zugehörigen Grundwässer und Küstengewässer zugeordnet.
Die deutschen Gewässer wurden in zehn Flussgebietseinheiten zusammengefasst: Donau, Rhein, Maas, Ems, Weser, Elbe, Oder, Schlei/Trave, Warnow/Peene und Eider. Die Mehrzahl von ihnen überschreitet nicht nur Länder- sondern auch Staatsgrenzen. So hat das Land Brandenburg Anteil an den grenzübergreifenden Flussgebietseinheiten Elbe und Oder. Das Einzugsgebiet der Elbe erstreckt sich international über Deutschland, die Tschechische Republik sowie Österreich und Polen, wobei auf die zwei letztgenannten Staaten nur geringe Anteile entfallen. Innerhalb Deutschlands befindet sich das Einzugsgebiet der Elbe auf den Territorien von zehn Bundesländern, nämlich Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Die Dimensionen dieses Beispiels lassen erkennen, dass grenzüberschreitende Koordination und Kooperation notwendig sind, zumal die Wasserrahmenrichtlinie ein einheitliches Konzept für die Bewirtschaftung einer Flussgebietseinheit vorschreibt. Daher müssen internationale Flussgebietskommissionen eingerichtet werden, um die staatenübergreifende Zusammenarbeit zu gewährleisten. Für die Elbe nimmt die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe, kurz IKSE, diese Aufgabe war. Die IKSE wurde bereits im Jahr 1990 gegründet ursprünglich mit dem Ziel der Verbesserung der Wasserqualität und der Verminderung der Schadstoffeinträge in die Elbe. Heute übernimmt eine Arbeitsgruppe außerdem die Koordinierung der Aktivitäten zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. Auch im innerdeutschen Rahmen wurde mit der Flussgebietsgemeinschaft Elbe ein koordinierendes Gremium etabliert. Als eine weitere Neuheit kann die vorgeschriebene zügige Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie gesehen werden. Um zu vermeiden, dass die einzelnen Mitgliedsstaaten die Anwendung der Vorschriften hinauszögern, wie es in der Vergangenheit bei anderen Richtlinien geschehen war, wurde ein konkreter Zeitplan bis zum Jahre 2015 für die einzelnen Arbeitsschritte festgelegt. So hatte die Integration der Wasserrahmenrichtlinie in deutsches Recht bis Ende 2003 zu erfolgen. Nach der Umsetzung in Bundesrecht durch die Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes mussten, da dem Bund in diesem Bereich nur die Rahmengesetzgebungskompetenz zukommt, die Bundesländer ihre Landeswassergesetze anpassen und entsprechende landesrechtliche Verordnungen erlassen. Bestandsaufnahme Den ersten praktischen Arbeitsschritt bei der Umsetzung der neuen Richtlinie bildete die Bestandsaufnahme der Gewässersituation durch die Länder, deren Ergebnisse im Frühjahr 2005 an die EU-Kommission übermittelt wurden. Sie besteht im wesentlichen aus einer Beschreibung der Gewässer, einer Analyse der Gefährdungen und Belastungen sowie einer Einschätzung ihres ökologischen Zustandes. Dabei wurde die Gewässersituation anhand einer Vielzahl von Kriterien untersucht und mittels einer fünfstufigen Bewertungsskala eingeordnet. Diese aktuelle Beurteilung ist notwendig, um festzulegen, ob und welche Maßnahmen zur Erreichung der Umweltziele notwendig sind.
Das Ergebnis der Bestandsaufnahme fiel eher negativ aus. Nach ihrem jetzigen Zustand verfehlen 60 Prozent der Oberflächengewässer Deutschlands die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie, bei 26 Prozent besteht Unsicherheit und nur 14 Prozent der Gewässer befinden sich in einem guten Zustand. In Bezug auf das Grundwasser entspricht etwa die Hälfte der Wasserkörper nicht den Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie. Im Land Brandenburg verfehlen sogar 67 Prozent der Oberflächengewässer die Zielvorgaben, während bei 12 Prozent die Zielerreichung als wahrscheinlich eingestuft wird. Trotz der Anstrengungen und erheblichen Investitionen in den Gewässerschutz, die Deutschland in der Vergangenheit unternommen hat, war dieses Resultat abzusehen. Und so zeigen denn auch die Ursachen des schlechten Ergebnisses die Problemsituation der Gewässer auf. Im Bereich der Seen, der Küsten- und Übergangsgewässer sowie des Grundwassers stellt die Belastung mit Nährstoffen wie Phosphor und Stickstoff aus Düngemitteln oder Schadstoffen die hauptsächliche Beeinträchtigung dar. Dies trifft auch für die Fließgewässer zu, deren Hauptproblem jedoch in den Veränderungen der Morphologie, also der Gewässerstruktur besteht. In der Regel bedeutet dies, dass durch Querbauwerke wie Talsperren, Wasserrückhaltebecken und Wehre die natürliche Wanderung von Fischen und kleineren Organismen nicht mehr möglich ist. Zudem sind die Ufer auf weiten Strecken begradigt, eingefasst sowie bebaut und somit weit von einem annähernd natürlichen Zustand entfernt. Die brandenburgischen Fließgewässer sind durch eine im Durchschnitt deutlich veränderte Struktur gekennzeichnet. Das Fließgewässersystem ist stark zergliedert, wobei eine hohe Dichte an Querbauwerken einem geringen Anteil von funktionierenden Wanderhilfen für Fische, Amphibien und Kleinlebewesen gegenübersteht. Aus diesem Grund gelten die Entfernung von nicht mehr benötigten Querbauwerken und die Einrichtung von Fischaufstiegshilfen oder Umgehungsrinnen als prioritäre Maßnahmen. Eine Vielzahl von Gewässern wurde durch den Menschen zum Nutzen von Schifffahrt, Landwirtschaft, Siedlungstätigkeit, Energiegewinnung oder zum Hochwasserschutz so stark verändert, dass sie schon auf Grund ihrer Morphologie nur schwerlich in einen ökologisch guten Zustand versetzt werden können. Darüber hinaus gibt es auch viele künstlich geschaffene Wasserkörper. Deshalb wurde im Rahmen der Bestandsaufnahme zwischen natürlichen, erheblich veränderten und künstlichen Gewässern unterschieden. So wurden im Land Brandenburg 58 Prozent der Fließgewässer und knapp 20 Prozent der Seen als erheblich verändert oder künstlich eingestuft. Für diese Gewässer gelten andere, noch genauer festzulegende Ziele. Auf jeden Fall wird die Herstellung eines guten ökologischen Potentials angestrebt. Weiterer Zeitplan und Ausblick Bis zum Jahresende müssen Monitoringsysteme einsatzfähig sein, die die Überwachung der Gewässer ermöglichen. Die so gewonnenen konkreten Daten fließen in Bewirtschaftungspläne ein, die gemeinsam mit Maßnahmenprogrammen bis zum Jahre 2012 umgesetzt werden sollen. Für das Erreichen der Umweltziele sieht die Wasserrahmenrichtlinie das Jahr 2015 vor. Die Umsetzung der Richtlinie, von der aufwendigen Bestandsaufnahme bis zur Durchführung der Maßnahmen, erfordert einen hohen Finanzbedarf und einen immensen Arbeitsaufwand der zuständigen Behörden. Gleichwohl drängt der straffe Zeitplan schon jetzt Maßnahmenprioritäten festzulegen und mit der Durchführung vorgezogener Maßnahmen zu beginnen. Als Vorreiter auf diesem Gebiet ist Schleswig-Holstein zu nennen. Dort wartet man die Aufstellung der detaillierten Bewirtschaftungsplanung nicht ab, sondern handelt jetzt. Das Bundesland hat bereits mit der Beseitigung von Wanderhindernissen für die aquatische Fauna begonnen und Initialmaßnahmen zur naturnahen Entwicklung von Fließgewässern gestartet. In der Wasserrahmenrichtlinie liegt das Potential bezüglich Wassernutzung und Gewässerschutz einen Prozess des Umdenkens anzustoßen. So ist innerhalb der Wasserwirtschaft schon ein teilweiser Wandel der Sichtweise zu verzeichnen. Bleibt zu hoffen, dass sich ein neues Bewusstsein für die aquatische Umwelt etablieren kann oder wie es der ehemalige Umweltminister und Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) Klaus Töpfer jüngst bei der Plenarsitzung der Akademie für Raumforschung und Landesplanung formulierte: Es muss sich wieder eine Achtung vor der Ressource Wasser entwickeln, ähnlich dem religiös-spirituellen Respekt, wie er in früheren Zeiten vorherrschend war. Anke Fischer |
Die Redaktion Umwelt, am 14. August 2006 | ugii Homepages |