Umweltpanorama Heft 12 (Mai 2006) | zur Liste | home | |||||||||
Das geothermische Heizwerk in Waren |
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Im Jahre 1984 nahm in Waren die erste deutsche Anlage zur Nutzung von Erdwärme im Megawatt-Leistungsbereich ihren Betrieb auf. Mit dem Niederbringen der beiden erforderlichen Tiefbohrungen war bereits 1981, vor jetzt 25 Jahren, begonnen worden. Thermalwasserfelder, wie sie in Waren genutzt werden, liefern Wasser mit Temperaturen bis 100 Grad Celsius, das in warmen Quellen von selbst an die Oberfläche tritt oder durch spezielle Pumpen gefördert werden kann. Vergleichbare Vorkommen finden sich weltweit. Neben der Verwendung zu Heizzwecken kann das Wasser abhängig von der chemischen Zusammensetzung und der Anreicherung mit Mineralstoffen und Salzen für balneologische Belange verwendet werden. Die geologische Basis in der Region bilden poröse Sandsteinschichten des Rätkeuper (Contorta-Schichten), aus denen das Wasser gefördert wird (Förderbohrung). Wegen des hohen Salzgehalts des Thermalwassers ist die unterirdische Entsorgung nach dem Wärmeentzug erforderlich. Die gut einen Kilometer entfernte Verpressbohrung (Injektionsbohrung) reicht in das aufgeschlossene Lias-Sandsteinpaket (Hettang) *) . Planung und Inbetriebnahme Als Geothermische Heizzentrale (GHZ) sollte die Anlage der Versorgung des zweiten Bauabschnitts des neuen Wohngebietes Waren-Papenberg mit Fernwärme dienen. Als Energieträger wurde erstmals in Deutschland Thermalwasser in größerem Umfang genutzt.
In Waren erfolgte damit der Startschuss für ein langfristig angelegtes Programm, in der DDR den Einsatz von Rohbraunkohle zur Erzeugung von Wärme abzulösen ohne in die Abhängigkeit von Erdöl oder anderen zu importierenden Energieträgern zu gelangen. Die Ölkrise von 1973 initiierte ein weltweites Umdenken. Die mit der Nutzung der Braunkohle verbundene Umweltbelastung sowie die an ihre Kapazitätsgrenzen stoßenden Verkehrswege lieferten weitere Argumente. Im Norden der DDR wurden die hochgradig salzhaltigen Tiefenwässer der norddeutschen Tiefebene als Basis für den Aufbau von Fernwärmenetzen vorgesehen. Schon in den 1960er Jahren war das heiße Wasser bei der vergeblichen Suche nach Öl und Gas gefunden worden. Ende der 1970er Jahre besann man sich auf diese Entdeckung, begann mit der Erschließung und gründete 1984 den VEB Geothermie Neubrandenburg, um Waren und andere Städte mit Heizwasser zu versorgen. Eingeleitet wurde die Nutzung von Geothermie in der DDR vom Energiekombinat Nord in Zusammenarbeit mit dem Rat des Bezirkes Neubrandenburg am Beispiel Waren-Papenberg. Die 1984 eingeweihte Warener Anlage besaß eine Förderbohrung, deren tiefster Punkt (Endteufe) 1655 Meter unter der Erdoberfläche lag. Die Verpressbohrung war 1200 Meter tief. Stündlich konnten 60 Kubikmeter Thermalwasser mit einer Temperatur von 60 Grad Celsius gefördert werden. Zur Auskühlung des Wassers dienten acht Wärmepumpen. Es konnten insgesamt 3,6 Megawatt Wärme erzeugt werden. Das Heizungssystem des Wohngebietes mit zunächst 806 Wohnungen sowie je einer Schule, Turnhalle, Kindertagesstätte und Kaufhalle wurde als Niedrigtemperaturheiznetz 70/35 Grad Celsius ausgelegt. Bei Störungen konnte auf drei Elektrokessel mit einer Leistung von je 1,6 Megawatt zurückgegriffen werden. Im Jahre 1986 wurde eine neue Verpressbohrung mit einer Tiefe von 1580 Meter am Waupacksee niedergebracht und in Betrieb genommen. Nach dem Erfolg der Heizzentrale Waren fasste die Regierung der DDR 1986 einen weitreichenden Beschluss über die praktische Umsetzung einer Konzeption für die volkswirtschaftliche Nutzung der geothermischen Ressourcen. An geeigneten Standorten sollten bis in die 1990er-Jahre geothermische Heizzentralen mit einer Leistung von insgesamt 262 Megawatt Wärme errichtet werden. In den drei damaligen Nordbezirken (Neubrandenburg, Rostock, Schwerin) waren Stralsund (14 Megawatt), Prenzlau (7 Megawatt), Neubrandenburg (25 Megawatt) und Schwerin (140 Megawatt) konkret vorgesehen, Rostock, Wismar und Baabe auf Rügen in der Planung. Nach der Konzeption waren zwei Etappen 1986 bis 1990 und 1991 bis 2000 für den Auf- und Ausbau vorgesehen. Eine wichtige Grundlage war der 1984 erschienene erste Geothermieatlas der DDR, in dem die geologischen und energetischen Potenziale und mögliche Standorte weiterer Projekte verzeichnet waren. Verwirklicht wurde im heutigen Mecklenburg-Vorpommern nur noch die Heizzentrale in Neubrandenburg, bevor die politische Wende mit ihren Folgen diese Entwicklung beendete. Die Weiterführung des Betriebes durch die Stadtwerke Waren GmbH Als erste Maßnahme in ihrer Entwicklung zu einem selbständigen Verbundunternehmen übernahmen die Stadtwerke Waren mit der Geothermischen Heizzentrale Waren-Papenberg am 1. Juli 1991 Teile der Fernwärmeversorgung der Stadt Waren von der Treuhand. Die acht hier beschäftigten Arbeitskräfte wurden in den Betrieb der Stadtwerke eingegliedert. Dieser Schritt sicherte die weitere Nutzung des Thermalwassers für die Beheizung der über die Fernwärmeversorgung angeschlossenen 806 Wohnungen und bildete die Grundlage für den weiteren Ausbau und eine mögliche Verwendung des Wassers für Heilzwecke im Zusammenhang mit dem Bau eines künftigen Thermalbades in Waren. In diesem Jahr begann auch die erste Modernisierung. Für die dringend notwendige Investition wurden 490 000 DM als Sonderbedarfsmittel durch die Stadt Waren bereitgestellt. Unter anderem kam eine moderne speicherprogrammierbare Kesselsteuerung zum Einsatz. Die vorhandenen drei elektrisch betriebenen Spitzenheizkessel wurden ein Jahr später, 1992 durch zwei Erdgas/Heizöl gefeuerte Kessel mit einer Leistung von je 2,3 Megawatt ersetzt. Die alten Elektrokessel wurden nur bei Arbeiten an der Anlage, zum Beispiel bei einem Pumpenwechsel, in Betrieb genommen. Die neue Anlage wurde vom Technischen Überwachungsverein Nord (TÜV-Nord) in Rostock sowie von verschiedenen Umweltämtern geprüft. Aus dem 21 Meter hohen, in Dänemark hergestellten Schornstein wird statt dunkler Rauchwolken fast nur Wasserdampf ausgestoßen. Obwohl die Ölanlage lediglich als Spitzenlastanlage projektiert wurde, kann mit ihr bei einer Havarie der Geothermie der gesamte zweite Bauabschnitt auf dem Papenberg beheizt werden. Die Rekonstruktion wurde im April 1992 beendet. Die zweite Phase der Modernisierung Zugleich wurden Fördermittel für eine vollständige Sanierung der Geothermie beantragt. Im Frühjahr 1993 begannen diese Arbeiten mit der Inspektion der Fördersonde. Festgestellte schwerwiegende technische Mängel konnten nicht behoben werden, so dass die Bohrung im August 1993 aufgegeben werden musste. Ein Großteil des zu DDR-Zeiten eingebauten Materials war bereits ausgewechselt worden. Um den Erhalt der Geothermie nicht in Frage stellen zu müssen, wurden zusätzliche Fördermittel zur Niederbringung einer neuen Bohrung beantragt. Der Aufsichtsrat der Stadtwerke Waren beschloss daneben am 24. Juni 1994, die Sanierung erst durchzuführen, wenn auch die Genehmigung der Stromversorgung für die Stadtwerke vorliegt, da ansonsten das wirtschaftliche Risiko nicht zu verantworten war. Es war sicher ein wichtiger Grund dafür, dass die Stadtwerke am 18. November 1994 mit der Erteilung der energiewirtschaftlichen Genehmigung durch das Wirtschaftsministerium grünes Licht für die Übernahme der örtlichen Stromnetze bekommen haben.
Nachdem alle Voraussetzungen geklärt waren, fand 1995 die umfangreiche Modernisierung statt. Bauten an der Verpressbohrung am Waupacksee, wo das abgekühlte Thermalwasser wieder in die Erde zurückgeleitet wird, konnten bereits im Frühjahr 1995 fertiggestellt werden. Ab Juli wurde eine neue Förderbohrung bis zur Tiefe von 1565 Meter niedergebracht. Mit einem Tag der offenen Tür am 12. Juli 1995 bat man bei den Anwohnern um Verständnis für die notwendigen Bohrarbeiten, die auch nachts nicht unterbrochen wurden. Die Anlage ermöglichte nun, das Thermalwasser künftig sowohl für Heilzwecke als auch für den Badebetrieb in einem Thermalbad zu nutzen. Nach der Modernisierung am Ende des Jahres 1995 konnten weitere 200 Wohnungen an das Fernwärmenetz angeschlossen werden. In Jahre 1998 wurde die Anlage noch einmal um einen dritten mit Erdgas/Heizöl gefeuerten Kessel (4,1 Megawatt) erweitert und konnte jetzt auch die bisher durch Nachtspeicheröfen beheizten Wohnungen auf dem Papenberg versorgen. Mit ihrem bisherigen Betrieb hat die GHZ Waren wesentlich zum Nachweis der grundsätzlichen Möglichkeit der Nutzung des Erdwärmepotentials für energetische Zwecke unter den Bedingungen stark salzhaltiger Tiefenwässer beigetragen und den Weg für weitere Geothermieanlagen bereitet. Auf Grundlage der Untersuchungen aus DDR-Zeiten und der Warener Erfahrungen wird seit 1995 in Neustadt-Glewe eine neue geothermische Heizzentrale betrieben zurzeit die größte in Deutschland. Zur Verfahrenstechnik Der technologische Ablauf der geothermischen Wärmegewinnung beginnt mit der Förderbohrung. Die elektrisch angetriebene Unterwassermotorpumpe (Einbauteufe 170 Meter) fördert, wie schon in den 1980er Jahren, stündlich 60 Kubikmeter Wasser mit einer konstanten Temperatur von rund 60 Grad Celsius und einem Salzgehalt von 158 Gramm pro Liter. Die aggressive Beschaffenheit verlangt einen durchgängigen Korrosionsschutz durch eine kunststoffbeschichtete Bohrungsverrohrung, eine Fiberglaspumpensteigleitung, erdverlegte Fiberglasrohre, eine obertägige Verrohrung in gummiertem Stahl und Polypropylen, innengummierte Behälter und Membranventile. Der Wasserspiegel im Bohrloch bewegt sich zwischen einer Tiefe von 110 Meter (statisch) und 124 Meter (dynamisch). Nach dem Durchlaufen einer ersten Filterstufe, in der durch hocheffiziente Beutelfilter Bestandteile über 10 Mikrometer Größe zurückgehalten werden, gelangt das Wasser in den Wärmeaustauscher. Über 209 Platten, aus Gründen des Korrosionsschutzes aus Titan, wird die Temperatur von 62 Grad Celsius auf 46 Grad Celsius reduziert. Die Wärme wird auf den Süßwasserkreislauf des Heiznetzes übertragen. Wärmepumpen sind nicht vorhanden. Das abgekühlte Thermalwasser gelangt anschließend zur Verpressbohrung. Die erdverlegten Leitungen werden drahtlos gegen Lecks überwacht. Bevor das noch warme Wasser nahe des Waupacksees wieder in die Tiefe gelangt, verhindert eine zweite Filterstufe, dass Bestandteile mit einer Größe von über 1,5 Mikrometer die unterirdisch aufnehmenden Schichten zusetzen können. Das Thermalwasser befindet sich in einem geschlossenen Kreislauf. Die Thermalwasserleitung aus glasfaserverstärkten Kunststoffrohren hat eine Länge von 1250 Meter. Durch eine Stickstoffkompressionsanlage wird ein geringer Überdruck erzeugt, der verhindert, dass das Wasser mit der Umgebungsluft in Berührung kommt. Der Kontakt zu Luftsauerstoff hätte Ausfällungen des im Wasser gelösten Eisens zur Folge. Zu einer gesamten Wärmelieferung von jährlich 15 000 Megawattstunden steuert die Geothermie 5500 Megawattstunden bei. An das Niedertemperaturheiznetz ist derzeit ein Versorgungsgebiet mit 1630 Wohnungen angeschlossen. Jürgen Kniesz Anmerkung *) Erdgeschichtlich entsprechen Rätkeuper und Hettang der Zeit des unmittelbaren Überganges vom Trias zum Jura, also vor etwa 200 Millionen Jahren. |
Die Redaktion Umwelt, am 15. Mai 2006 | ugii Homepages |