Umweltpanorama Heft 12 (Mai 2006) zur Liste | home

60 Jahre erdgekoppelte Wärmepumpe

In diesem Winter war es 60 Jahre her, als A.C. Crandall unter den Titel „House Heating with Earth Heat Pump“ die erdgekoppelte Wärmepumpe beschrieb. Die erstmals in der Fachliteratur dokumentierte Anlage nahm Robert C. Webber im Oktober 1945 in Indianapolis in den USA in Betrieb. Mit in Gräben verlegten Rohrschleifen von zusammen 152 Metern Länge, einem Kompressor und einem Warmluftgebläse (Abbildung 1) bewies sie im folgenden Winter ihre praktische Einsatzfähigkeit. Grund genug, um noch einmal zurückzuschauen.

Crandall 1946

Schema der erdgekoppelten Wärmepumpenanlage im Hause Webber, Indianapolis, USA (nach Crandall, 1946).

Im Winter 1945/46 wurden in Indianapolis bis zu minus 24 Grad Celsius gemessen. Doch die stetig aufgezeichneten Temperaturen im Hause Webber lagen bei Raumtemperatur von gut 20 Grad Celsius. Aber für diese Heizperiode von 1630 Betriebsstunden wurden 6357 Kilowattstunden Strom gebraucht. So bemerkte Candall im Jahre 1946, dass zur Beurteilung des Wärmepumpenbetriebs an anderen Standorten und mit anderen Bodenbedingungen noch ein beträchtlicher Aufwand an Forschung und Versuchen erforderlich sei.

Ein anderes Beispiel früher Anlagen zur Nutzung der Erdwärme in den USA ist eine Versuchsanlage der Union Electric Company in St. Louis, für die Spiralrohre in Bohrlöcher von 5 bis 7 Metern Tiefe eingebracht wurden. Das dafür eingesetzte Bohrgerät diente sonst für das Setzen von Leitungsmasten.

Aus den USA ist auch schon früh die Nutzung von Grundwasser-Wärmepumpen für größere Objekte beschrieben, so im Jahre 1948 in Portland für das Equitable Building. Dieses heute als Commonwealth Building bezeichnete Verwaltungsgebäude mit 13 Stockwerken und seiner damals hochmoderne Stahl-Glas-Architektur, ist mit vier großen Wärmepumpen ausgestattet. Zwei Förderbrunnen versorgen die Pumpen mit Grundwasser, welches über einen Schluckbrunnen wieder in den Untergrund geleitet wird. Die Anlage gilt seit 1980 als Industriedenkmal.

Die erste größere Wärmepumpenanlage zur Raumheizung in Europa wurde im Jahre 1938 im Amtshaus des Kanton Zürich in Betrieb genommen. Als Wärmequelle diente das Wasser der Limmat um 192 Kilowatt Heizleistung bei 60 Grad Celsius Vorlauftemperatur zu erzielen. Über 26 Jahre hinweg arbeitete die Wärmepumpe problemlos bis der Kompressor 1964 ersetzt werden musste. Infolge der Verknappung fossiler Brennstoffe in der Schweiz während des 2. Weltkrieges folgten weitere Anlagen in den 1940er Jahren in Zürich diesem Vorbild, die allesamt Flusswasser als Wärmequelle nutzten.

Im restlichen Europa dauerte es bis zum Jahre 1972, also fast bis zur ersten Ölpreiskrise, bis erdgekoppelte Wärmepumpen größere Beachtung fanden. In den Aufzeichnungen sind Grundwasserwärmepumpen oder horizontale Erdwärmekollektoren, also flach in den Boden eingelassene Wärmetauscher beschrieben. Erste Anlagen in Deutschland sind aus dem Jahr 1980 dokumentiert, so eine Anlage mit Koaxial-Erdsonden bei Wetzlar und vier weitere in Wohnhäusern in der Rheinland-Pfalz.

Goettingen 1987

Bohrarbeiten mit einfachem Gerät bei Göttingen im Jahre 1987. (Foto: Burkhard Sanner)

Als einer der Protagonisten für Erdwärmesonden in Deutschland kann der Optik- und Elektronikunternehmer Helmut Hund gelten. Für den Neubau einer Produktionsstätte für Glaserfaseroptik suchte er unter dem Eindruck der stetig steigenden Ölpreise zum Ende der siebziger Jahre ein wirtschaftlich vertretbares energiesparendes Heizsystem; dabei musste die Heizung die Vorgabe gleichmäßiger Raumtemperaturen für die sensiblen Produktionsschritte zuverlässig und witterungsunabhängig erfüllen können. So suchte Helmut Hund Informationen und Mitstreiter zusammen, kaufte ein kleines Bohrgerät und erstellte im Frühjahr 1980 wie oben erwähnt in Schöffengrund-Schwalbach südlich von Wetzlar eine erdgekoppelte Wärmepumpenanlage mit acht jeweils knapp 50 Meter tiefen Erdwärmesonden. Als er in der Region mit dieser Technik auf Resonanz stieß, gründete er 1981 die Geotherm GmbH zur Weiterentwicklung und Installation von Erdwärmesondenanlagen. Unter der Leitung des Heizungsbaumeisters Gerd Euler wurde daraus ein Unternehmen, das als eines der wenigen aus der Zeit des ersten Wärmepumpenbooms auch heute noch erdgekoppelte Wärmepumpenanlagen herstellt.

In einer Zeit, als der erste Boom der Wärmepumpen vorbei war, begann die systematische Untersuchung der Wärmetransportvorgänge um Erdwärmesonden in Deutschland. Deren Ziele waren unter anderem die Auslegungsregeln der Anlagen, das Erkennen der Grenzen des Systems oder die Beeinflussung der Umwelt. Dazu wurde wieder in Schöffengrund-Schwalbach eine Versuchsanlage aufgebaut, die vom damaligen Bundesministerium für Forschung und Technologie gefördert wurde. Auch hier war Helmut Hund die treibende Kraft und sein Unternehmen führte zusammen mit der Universität Gießen die Forschungsarbeiten durch. Dabei wurden auch verschiedene „externe Forschungsstandorte“ in kommerziell erstellten Anlagen in vier Standorten in Deutschland betreut, um Erfahrungen mit unterschiedlicher Geologie zu erhalten (Abbildung 2).

Ein wesentlicher Fortschritt, der als Nebenprodukt aus dem Projekt abfiel und heute für die Anwendung nicht wegzudenken ist, ist die direkte Kühlung aus Erdwärmesonden. 1987 hat die Projektgruppe in einem kleineren Bürogebäude in Wetzlar erstmals eine derartige Anlage aufgebaut, damals noch mit Gebläsekonvektoren statt Kühlflächen (diese kamen erst ein Jahr später hinzu). Da Kühlung wesentlich teurer als Heizung ist, bietet diese Technik heutzutage deutliche wirtschaftliche Vorteile.

Ähnlich wie in Schöffengrund-Schwalbach wurden auch in der Schweiz, in Kanada und in den USA praktische und theoretische Arbeiten zu Erdwärmesonden durchgeführt. Im Rahmen eines Kooperationsprogramms der Internationalen Energie-Agentur arbeiteten die Arbeitsgruppen der verschiedenen Länder eng zusammen. Auf dieser Grundlage wurden die wesentlichen Erkenntnisse gesammelt, die auch heute noch die Auslegung von Erdwärmesondenanlagen bestimmen.

Nach einer Phase geringer wirtschaftlicher Resonanz nach erdgekoppelte Wärmepumpen, in der einige große Hersteller, wie Buderus oder Vissmann, den Wärmepumpenbau einstellten, wuchs in den 1990er Jahren das technisch-wissenschaftliche Interesse an der erdgekoppelten Wärmepumpe wieder an. An verschiedenen Stellen in Deutschland, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz wurde geforscht und weiterentwickelt, neue Ideen und Konzepte erarbeitet.

Um eine Plattform zum Austausch von Ideen und Erfahrungen zu bieten, hatte die Universität Gießen im Herbst 1991 zu ihrem ersten Symposium Erdgekoppelte Wärmepumpen auf ihr Tagungszentrum Schloss Rauischholzhausen eingeladen. Diese Symposien finden noch heute im Zweijahresrhythmus statt. Damit einher ging die Gründung zweier Vereine: Die Geothermische Vereinigung e.V. (GtV) im Jahre 1991 und 1994 der anfangs stark durch die Stromwirtschaft dominierte Initiativkreis Wärmepumpen e.V. (IWP). Letzterer steht heute als Bundesverband Wärmepumpen (BWP) auf einer wesentlich breiteren Basis. Beide haben durch Öffentlichkeitsarbeit, Lobbying und vielfältige Veranstaltungen entscheidend zum heute erreichten Stand von Technik und Markt beigetragen.

Bewegung in den Markt brachten dann vor allem zwei Förderprogramme, das Programm KeS-Solar der RWE zu Anfang der 1990er Jahre und das Marktanreizprogramm Erneuerbare Energien des Bundes, das in den Jahren 1995 bis 1998 auch Wärmepumpen förderte. Durch entsprechend hohe Anforderungen, wie verbesserte Jahresarbeitszahlen oder aufgrund der Umweltbedenklichkeit den Ausschluss chlorierter Kohlenwasserstoffe als Kältemittel, hat es gleichzeitig zur technischen Fortentwicklung beigetragen. Das stetige Anwachsen der Anzahl verkaufter Wärmepumpen für oberflächennahe Geothermie in den 1990er Jahren ist im wesentlichen auf diese Fördermaßnahmen sowie ergänzende Maßnahmen in den neuen Bundesländern zurückzuführen.

Für jemanden, der die frühe Phase der erdgekoppelten Wärmepumpen in Europa miterlebt hat, sind viele Wünsche von damals in Erfüllung gegangen. Die erdgekoppelte Wärmepumpe ist heute eine selbstverständliche Alternative zu anderen Heizsystemen. Immer mehr Bauherren, aber auch Handwerksfirmen wissen von den Vorteilen. Man muss nicht mehr zu jeder unteren Wasserbehörde pilgern und versuchen, den Beamten das Prinzip verständlich zu machen. Die Technik hat einen Stand an Zuverlässigkeit erreicht, der konventionellen Anlagen nicht nachsteht, und die Effizienz ist ständig gestiegen. Ein Meilenstein dafür dürfte die Richtlinie VDI 4640 aus dem Jahre 2004 sein, durch welche die erdgekoppelte Wärmepumpe endgültig das Stadium der Bastelei verlassen und zu einem ernsthaften Industrieprodukt geworden ist. Eine Richtlinie, die mit dem Leitfaden für Baden-Württemberg von 1997, der auf einer Initiative der GtV beruhte, ihren Anfang erfuhr.


Dr. Burkhard Sanner
Präsident des European Geothermal Energy Council,
Brüssel


Anmerkung

Der ungekürzte Beitrag einschließlich Quellenangaben kann anderweitig nachgelesen werden:
Burkhard Sanner, 60 Jahre erdgekoppelte Wärmepumpe, Geothermische Energie 49 (Nov./Dez. 2005) Seite 30-33


     Die Redaktion Umwelt, am 15. Mai 2006 – ugii Homepages –