Umweltpanorama Heft 8 (Mai 2005) zur Liste | home

Eichenzeit

Berlins älteste Eiche ist die „Dicke Marie“ im Tegeler Forst (angegeben 900, wahrscheinlich 400 bis 500 Jahre alt). Die Brüder Humboldt sollen sie nach einer korpulenten Köchin im Schloss von Tegel benannt haben.

Ansonsten sind Gedenkeichen neben wichtigen Ereignissen, wie Friedensschlüssen, eher markanten Männern gewidmet. Zum Beispiel die Schillereiche im Weddinger Schillerpark oder die Jahneiche in der Neuköllner Hasenheide, an deren ausladenden Ästen der Turnvater im Jahre 1811 Reckübungen ausgeführt haben soll.

Baum und Wald sind in der deutschen Sprache männlich, die jeweiligen Baumarten – auch die Eiche – mit Ausnahme von Ahorn und Speierling, jedoch weiblich. Einer Umfrage nach dem Lieblingsbaum der Deutschen zufolge 1) wurde die Eiche von Männern signifikant häufiger genannt als von Frauen.

Bei Ovid wird Philemon in eine Eiche, seine Frau Baucis in eine Linde verwandelt. Eichen und Linden – oftmals inzwischen nachgepflanzt – bezeichnen germanische Thingstätten, wo man sich zu Gerichtsverhandlungen und Festen versammelte. Das keltische Jahr begann mit der Sommersonnenwende und die Eiche war die Tür vom alten ins neue Jahr.

Wir wissen nicht, welcher der global existierenden etwa 450 Eichenarten beziehungsweise ihrer Hybriden die prophetische Eiche bei Sichem angehörte, unter der der biblische Abraham durch Jahwe belehrt wurde 2) . Alljährlich gab es dort zum Weinlesefest einen vielbesuchten Jahrmarkt von dem Sozomenos 3) berichtet, dass Angehörige aller Glaubensrichtungen den Baum ehrten: die Juden, weil Abraham ihr Erzvater war; die Griechen, das heißt die Heiden, weil sie die Gegenwart der Engel spürten; die Christen, wie sich dort Gott offenbart hatte.

Der Eichengott der Griechen war Zeus, Heras Gatte. Dem „Vater der Götter und der Sterblichen“ war die Eiche geweiht 4) . Wegen ihrer tiefreichenden Wurzeln wird sie öfter als andere Bäume von Blitzen getroffen – ein gewiss eigenartiges Zeichen der Zuwendung des Himmelsgottes. Für die „Hubertusbaude“ in Berlin-Zehlendorf war es jedoch ein Glück, dass im Jahre 1995 ein gewaltiger Blitz nicht in das seit 1920 bestehende Lokal, sondern in die gut 300 Jahre alte Hubertuseiche krachte, die tief in der wasserführenden Bodenschicht wurzelt.

Nach Carl von Linnè, dem wir die moderne Eichen-Systematik verdanken, ist die Eiche geradezu ein Musterbeispiel für menschliche Nutzungsmöglichkeiten. Gallen, Fruchtbecher und Borke dienen fürs Gerben. Aus den schwarzen Eichengallen lässt sich Tinte herstellen und die ebenfalls aus Insektenstichen in Eichenzweigen entstandenen Filzkugeln dienen als Brennstoff für Lampen. Von den Eichen kann man medizinische Extrakte, hartes Bauholz, Laub als Viehstreu und für Matratzen gewinnen. Eicheln waren das Hauptnahrungsmittel für unsere Vorfahren und Nutztiere; man konnte sie frisch essen, trocknen zu Mehl zerstampfen und zu Brot backen. Mit Brombeerwein, Honig und Bilsensamen (zur gelinden Alkoholisierung), Wildschweinrücken, gerösteten Engerlingen, geschmorten Wildäpfeln, Steinpilzen und Salbei ergibt sich ein ernährungsphysiologisch hochwertiges Menü für Genießer.

Die Eichel gelangte sogar zum Namensgeber für die Spitze des männlichen Gliedes.

Der Meister der gemalten Eichen ist Caspar David Friedrich. Seine „Eichen im Schnee“ sind sowohl Bilder des Todes als auch des Lebens. Sie waren für ihn zugleich Denkmäler des Deutschtums. Seinem Schüler Carl Gustav Carus zeigte er im Jahre 1819 die eichenbepflanzten Wälle von Neu-Brandenburg und sagte, dass es seit alters her Brauch sei, wenn ein junger Mann zum Bürger gemacht werde, er am Wall eine Eiche zu pflanzen habe 5) .

Es gibt Algier- und Libanoneichen, sowie Persische, Spanische und Ungarische Eichen; den botanischen Namen „Deutsche Eiche“ gibt es nicht. Sie stellt die Stiel- oder Sommereiche (Quercus robur) dar. Dieser starkastige Baum wird bis 50 Meter hoch und ist in Europa, Nordafrika und Kleinasien verbreitet. Die Früchte sitzen meist zu mehreren auf 5 bis 12 Zentimeter langen Stielen. Eine mindestens 100jährige Stieleiche ist als Naturdenkmal im Berlin-Pankower Ortsteil Buchholz, in der Berliner Strasse 22 zu sehen.

Die Trauben- oder Wintereiche (Quercus petraea) hat ein kleineres Verbreitungsgebiet. Ihre Früchte sind kurzgestielt. Die Podbielski-Eiche am Olympischen Tor in Charlottenburg ist eine Traubeneiche. Das etwa 200jährige Naturdenkmal erinnert an den Präsidenten des Deutschen Reichsausschusses für die Olympischen Spiele und Stadiongründer Viktor von Podbielski.

Am 27. März 2000 wurden geradschäftige, leicht versetzbare Eichen (Quercus palustris) an der Paul-Löbe-Allee im Berliner Regierungsviertel gepflanzt. Ihr Laub verfärbt sich im Herbst rötlich und sie gedeihen besonders gut auf sumpfigen Boden. Es bleibt zu bedenken, weshalb der amtierende Bundestagspräsident Wolfgang Thierse ihren deutschen Namen Sumpfeiche flugs durch „Spreeeiche“ zu ersetzen suchte.

Gunter Martin

freier Autor


Anmerkungen

1) A. Lehmann, Die Deutschen und ihr Wald, 1999

2) 1. Mose 12, 6

3) Historia Ecclesiastica, 5. Jahrhundert

4) Homer, Ilias VI; VII 60

5) C. G. Carus, Lebenserinnerungen und Denkwürdigkeiten, 1865

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     Die Redaktion Umwelt, am 17. Mai 2005 – ugii Homepages –