Umweltpanorama Heft 6 (November 2004) zur Liste | home

Moderne Energiekonzepte aus Sicht der Verbraucher

Optimierung konventioneller Energieerzeugung und Chancen alternativer Energiequellen

Eine zukunftsweisende Energiepolitik ist für die privaten Haushaltskunden von essentieller Bedeutung. In der Arbeit des vzbv, der Dachorganisation der Verbraucherverbände in Deutschland und vieler seiner Mitgliedsverbände, insbesondere den Verbraucherzentralen, nimmt das Thema Energie deshalb eine besondere Stellung ein. Ein moderner Industriestaat wie die Bundesrepublik Deutschland ist ganz wesentlich auf eine ausreichende Versorgung mit Energie angewiesen. Zu welchen Folgen ein Mangel im Energiebereich führen kann, hat die Ölkrise im Oktober 1973 deutlich gemacht, als die Preise für Heizöl explodierten und in Deutschland und anderen europäischen Ländern Fahrverbote ausgesprochen werden mussten. Dabei wurde die Belieferung Deutschlands mit Rohöl nur um ein Viertel reduziert.

Die Energieversorgung ist heute von knapper werdenden Ressourcen und einer gleichzeitig erhöhten Nachfrage nach Primärenergieträgern auf den Weltmärkten infolge des allgemein gestiegenen Energieverbrauchs auch durch die wirtschaftliche Entwicklung in Schwellenländern geprägt. Rund 62 Prozent der Energierohstoffe werden in Deutschland durch Importe gedeckt. Damit besteht eine Abhängigkeit von unsicheren Bezugsmärkten für Öl, Erdgas aber auch Steinkohle, dessen Abbau in Deutschland aufgrund der ungünstigen geologischen Bedingungen nach internationalen Maßstäben nicht wirtschaftlich ist. Zudem besteht die Gefahr eines globalen Klimawandels infolge des gestiegenen Ausstoßes von Treibhausgasen. Das Interesse der Verbraucher an angemessenen Energiepreisen, sowie an einem Erhalt der Versorgungssicherheit und der Lebensbedingungen, machen es damit notwendig, moderne Energiekonzepte zu entwickeln.

Um die Energieversorgung auch künftig zu bezahlbaren Preisen zu sichern, bieten sich zwei Strategien an, die nebeneinander verfolgt werden müssen. Eine wesentliche Säule des künftigen Energiekonzeptes muss der effiziente Umgang mit Energie sein. Zum anderen sind die Potentiale der importunabhängigen heimischen erneuerbaren Energieträger noch stärker zu nutzen.

Mit dem Begriff der Energieeffizienz wird zunächst der Gedanke an eine Verbrauchssenkung bei den privaten und industriellen Konsumenten verbunden. Dabei geht es ganz wesentlich darum, die energieabhängigen Leistungen mit einem geringeren Verbrauch zu realisieren und weniger darum, auf Leistungen zu verzichten. Bereits heute führen die Verbraucherzentralen der Bundesländer im Rahmen eines Projekts des vzbv unter anderem zur energieeffizienten Wärmebereitstellung in Wohngebäuden rund 77 000 Beratungen im Jahr durch. Hierbei handelt es sich jedoch nur um einen Teilaspekt der Energieeffizienz. Im Bereich der Verbrauchsgüter liegt das Potential der Energieeffizienz heute bei den Haushaltskunden noch weitgehend brach. In diesem Bereich müssen die besten technischen Standards zum Maßstab genommen, konsequent weiterentwickelt und dem Verbraucher durch anspruchsvolle Kennzeichen oder durch Beratung kommuniziert werden, damit die Produktvorteile am Ende in die Marktentscheidung des Verbrauchers einfließen.

Energieeffizienz bedeutet aber auch, aus den zur Verfügung stehenden fossilen Energieträgern bei der Umwandlung in Strom und Wärme den größtmöglichen Nutzen zu ziehen. Der durchschnittliche Wirkungsgrad fossiler Kraftwerke liegt weltweit nur bei etwa 30 Prozent. Von 100 Prozent eingesetzter Primärenergie werden nur 30 Prozent in Strom umgewandelt und 70 Prozent gehen im Prozess oder als Abwärme verloren. Die Steigerung des Wirkungsgrades eines Steinkohlekraftwerks beispielsweise um ein Prozent spart pro Jahr bereits 16 000 Tonnen Kohle und reduziert die Kohlendioxid-Emission erheblich. Hier ist Deutschland auf einem guten Weg. Kraftwerke in Deutschland erreichen durchschnittlich einen Wirkungsgrad von 38 Prozent. Neue Kohlekraftwerke erzielen bereits einen Wirkungsgrad von 40 bis 45 Prozent und eine Steigerung auf 50 bis 55 Prozent ist in der Entwicklung. Moderne Gaskraftwerke werden einen Wirkungsgrad von 65 Prozent erzielen. Daneben besteht seit langem die Möglichkeit, neben dem erzeugten Strom zugleich die bei seiner Erzeugung entstehende Wärme zu nutzen. Diese so genannte Kraft-Wärme-Kopplung nutzt den eingesetzten Brennstoff nach gegenwärtigem technischen Stand bei einem Wirkungsgrad von mehr als 80 Prozent maximal aus. Bedauerlicherweise beträgt der Anteil der Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen an der Stromgewinnung in Deutschland nur 12 Prozent. Hier sind uns Finnland, die Niederlande und Dänemark mit Anteilen zwischen 36 und 53 Prozent weit voraus. Da in den nächsten 20 Jahren rund 30 Prozent der bestehenden Kraftwerke in Deutschland ersetzt werden müssen, ist die Chance zu nutzen, um effiziente Kraftwerksanlagen im Interesse einer bezahlbaren sowie ressourcen- und umweltschonenden Energieversorgung neu zu bauen.

Neben der Energieeffizienz bei der Erzeugung und dem Verbrauch sind in Deutschland aber auch strukturelle Probleme der Energiemärkte im Interesse der Haushaltskunden an angemessenen Preisen zu lösen. Im europäischen Vergleich zahlen die Haushaltskunden in Deutschland gegenwärtig Spitzenpreise für Strom und Gas vor Steuern und Abgaben. Die Preisentwicklung wird wesentlich durch fehlenden Wettbewerb auf den Märkten und Monopolpreise für die Netzentgelte bestimmt. Hier muss die Chance im laufenden Gesetzgebungsverfahren zur Novellierung des Energiewirtschaftsgesetz ergriffen werden, eine angemessene Kalkulationsgrundlage für Netzentgelte und eine Vorabgenehmigung der Netzentgelte durch eine starke Regulierungsbehörde einzuführen. Immerhin machen die Netzentgelte gegenwärtig rund 40 Prozent des Strompreises aus.

Zu einem modernen Energiekonzept gehört auch, die Nutzbarmachung heimischer erneuerbarer Energieträger. Ganz gleich, ob Wasserkraft, Wind- und Sonnenenergie, Biogasproduktion oder Geothermie, die erneuerbaren Energien machen uns unabhängiger von Rohstoffimporten und tragen so zur Versorgungssicherheit bei. Sie vermindern den Ausstoß von Treibhausgasen. Inzwischen sind rund 130 000 Arbeitsplätze im Bereich erneuerbarer Energien in Deutschland entstanden. Und die Entwicklung der erneuerbaren Energien steht erst an ihrem Anfang. Biogas kann beispielsweise durch Vergärung aller leicht abbaubaren organischen Substrate gewonnen werden. Es besteht die Möglichkeit, aus landwirtschaftlichen und häuslichen organischen Reststoffen Biogas zu gewinnen. Gülle und Grüngut aus der Landwirtschaft können ebenso zur Gewinnung von Biogas genutzt werden, wie Verarbeitungsrückstände aus der Lebensmittelindustrie, Gemüseabfälle von Großmärkten, Speiseabfälle oder Rasenschnitt. Es wird geschätzt, dass bei einer konsequenten Nutzung etwa 8 Prozent des Nettostromverbrauchs in Deutschland durch die Verstromung von Biogas erzeugt werden könnten. Gegenwärtig beträgt der Anteil erneuerbarer Energien in Deutschland insgesamt nur 8 Prozent. Biogas kann zudem gereinigt und aufbereitet wie Erdgas eingesetzt werden. Es eignet sich damit auch zur direkten Erzeugung von Raumwärme oder Warmwasser.

Die Diskussion um das Erneuerbare Energiengesetz (EEG) Anfang 2004 hat gezeigt, dass die Vorteile der erneuerbaren Energien vielfach zu wenig berücksichtigt wurden. Unbestritten sind die erneuerbaren Energien heute in der reinen Herstellung teurer als die Energie aus konventionellen Energieträgern. Die Preisschere wird sich künftig aber schließen. Niemand prognostiziert, dass der Preis für Öl oder Gas langfristig entscheidend sinkt oder auch nur stabil bleibt. Dann ist es vernünftig, bereits heute die Basis für eine künftige einheimische Energieversorgung zu schaffen und eine technische Entwicklung in Gang zu setzen, die immer effizientere Erneuerbare-Energie-Anlagen hervorbringt. Das EEG, das feste Einspeisevergütungen für Strom aus erneuerbaren Energien garantiert und damit Investitionen in diese Technik rentabel macht, ist hierzu das richtige Mittel. Das Interesse der privaten Haushaltskunden an kalkulierbaren Energiepreisen, sowie an einem Erhalt der Versorgungssicherheit und der Lebensbedingungen, gebietet es, den Ausbau der erneuerbaren Energien fortzusetzen. Aus Sicht der privaten Haushaltskunden bleibt es jedoch ein Mangel des EEG, große industrielle Energieverbraucher von der EEG-Umlage auszunehmen. Denn der Ausbau der heimischen Energieversorgung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der sich einzelne wirtschaftliche Gruppen nicht entziehen dürfen.

Erneuerbare Energien müssen aus der Sicht der privaten Haushaltskunden künftig aber auch in kleinen Anwendungslösungen stärker eingesetzt werden. So bietet beispielsweise die Solarthermie die Möglichkeit Raumwärme und Warmwasser für Gebäude aus Sonnenenergie zu gewinnen. Auch über Wärmepumpen lässt sich Räumwärme erzeugen. Die Wirtschaftlichkeit dieser Techniken hängt gegenwärtig zwar noch von den örtlichen Gegebenheiten ab. Steigende Wirkungsgrade bei den Wärmepumpen und die Verteuerung fossiler Energieträger öffnen den kleinen Anwendungen aber zunehmend die Märkte. Um so wichtiger ist die Information der Haushaltskunden voranzutreiben, um einen Nachfrageschub auch in diesem Bereich auszulösen.

Es bleibt festzuhalten, dass ein modernes Energiekonzept aus Gründen der Versorgungssicherheit zu bezahlbaren Preisen, zur Erhaltung von Unabhängigkeit und aus Gründen des Klimaschutzes einerseits die effiziente Nutzung der vorhandenen fossilen Ressourcen im Auge behalten muss, andererseits aber zugleich auf heimische erneuerbare Energiequellen setzen muss.

Prof. Dr. Edda Müller

Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes e.V.
Berlin


     Die Redaktion Umwelt, am 15. November 2004 – ugii Homepages –