Umweltpanorama Heft 3 (März 2004) zur Liste | home

Deutsche Emissionshandels-Stelle im Umweltbundesamt eingerichtet

Ein Joint-Venture von Regierung, Gewerkschaft und Industrie

Mit der Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls hat Deutschland sich verpflichtet, seine Treibhausgas-Emissionen bis zum Jahr 2012 um 21 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Ein ehrgeiziges Ziel. Um es zu erreichen, wurde zum 1. Januar 2004 die Deutsche Emissionshandels-Stelle (DEHSt) als neue Abteilung des Umweltbundesamtes in Berlin-Grunewald gegründet. In einem Jahr soll die neue Behörde voll funktionsfähig sein und Emissionsberechtigungen an energieintensive Industrien ausgeben. Diese Berechtigungen oder Zertifikate erlauben dem Inhaber, pro Jahr eine festgelegte Menge Klimagase (gemessen in CO2-Äquivalenten) auszustoßen. Über die tatsächlich emittierte Menge führt die DEHSt Konten, die im ersten Quartal des Folgejahres bilanziert werden. Hat der Kontoinhaber mehr emittiert als er seinen Zertifikaten nach durfte, dann muss er zusätzliche Emissionsberechtigungen ankaufen. Hat er weniger emittiert, darf er den nicht verbrauchten Teil seiner Zertifikate EU-weit zum Verkauf anbieten und den Gewinn einstreichen.

Für Umweltschützer ist das zunächst eine Vorstellung der Kategorie „makaber“ – der Emittent erhält quasi eine „Lizenz zum Schmutzen“. Und dadurch soll das Kyoto-Ziel erreicht werden? Prinzipiell kennt der Gesetzgeber drei Möglichkeiten, unerwünschte Emissionen einzuschränken. Das erste dieser Werkzeuge ist die Auflage; sie bedeutet, dass dem Emittenten eine bestimmte Ausstoßmenge zugestanden wird, die er nicht überschreiten darf. Im bisher geltenden Recht wurde dies im Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) so gehandhabt. Zweite Möglichkeit: Für jede Emissionseinheit hat der Verursacher eine Abgabe oder Steuer zu entrichten. Praktiziert wird dies zurzeit mit der Abwasser-Abgabe. Die dritte Möglichkeit ist die Ausgabe von frei handelbaren Emissionszertifikaten, wie sie jetzt für Treibhausgase eingeführt werden.

Von den drei Werkzeugen ist die Auflage die ungünstigste, denn sie bietet dem Emittenten keine Anreize zur Reduzierung seiner Emissionen und sie wälzt die Kosten der Umweltverschmutzung auf die Allgemeinheit ab. Dagegen beteiligen Emissions-Steuern und Zertifikate den Verursacher an den Umweltkosten. Bei den Steuern ist das unmittelbar einsichtlich: Jede emittierte Einheit kostet bares Geld und schafft damit für den Emittenten Anreize, seine Emissionen zu verringern. Als guter Betriebswirt wird er seine Emissionen genau so lange reduzieren bis der Aufwand für weitere Verringerungen ihn mehr kosten würde als die dadurch eingesparten Abgaben. Und genau das ist der schwache Punkt. Der Gesetzgeber ist nicht nur daran interessiert, dass Emissionen zurückgehen, sondern er will – wie im Kyoto-Protokoll vereinbart – konkrete Ziele punktgenau erreichen. Bei der Emissionssteuer bedeutet das, er müsste die Höhe der Steuer genau so festlegen, dass die angepeilte Emissionsminderung erreicht wird. Theoretisch wäre das kein Problem, wenn der Staat Informationen darüber hätte, mit welchem Aufwand die Firmen eine Emissionsminderung erreichen können. Hat er aber nicht, denn solche Informationen geben die Betriebe nicht preis.

Aus diesem Grunde favorisiert die Regierung in Berlin den Emissionshandel. Auch hier gibt es für die Verursacher eine Motivation, ihre Emissionen solange zu senken, wie der Gewinn durch den Verkauf nicht in Anspruch genommener Zertifikate höher ist als der finanzielle Aufwand für die Reduktion der Emissionen. Der Kurs der Zertifikate soll wie beim Aktienhandel über Angebot und Nachfrage am Markt bestimmt werden. Ist der Kurs hoch, dann lohnt es sich für die Unternehmen ihre Emissionen zu reduzieren; sinkt er – zum Beispiel weil Emittenten ihre Betriebe nach außerhalb der EU verlagern – unter eine bestimmte Marge, dann sind die Anreize für eine Verminderung gering. Daraus folgt: das Ganze funktioniert nur, solange der Kurs eine bestimmte Höhe nicht unterschreitet.

Doch selbst ein hoher Kurs kann keineswegs garantieren, dass das Kyoto-Ziel erreicht wird. Deswegen sieht der Gesetzgeber eine gestaffelte Verknappung der Emissionsberechtigungen vor. Zunächst werden Zertifikate in Höhe der durchschnittlichen Emissionen aus den Jahren 2000 bis 2002 ausgegeben; danach wird berechnet, wie viel CO 2 künftig maximal emittiert werden darf, damit Deutschland sein Emissionsziel erreicht.

Eigentlich eine wasserdichte Sache. Eigentlich. Kritische Umwelt-Ökonomen sehen jedoch einige Geburtsfehler der neuen Regelung. Bis 2012 werden die Emissions-Zertifikate kostenlos an die Emittenten ausgegeben. Durchgesetzt haben das die Lobbyisten der Industrie, die im Rahmen eines Spitzentreffens im Bundeskanzleramt fleißig an der Ausgestaltung des Emissionshandels mitgewirkt haben. Teilnehmer: Schröder, Clement, Trittin, Vertreter der Energiekonzerne (EnBW, E.ON, RWE und Vattenfall), Norddeutsche Affinerie, BASF, Thyssen-Krupp sowie die Gewerkschaftsbosse Bsirske und Schmoldt (Verdi, IG BCE). Kostenfreie Ausgabe bedeutet aber einen Startkurs von genau Null Euro pro Emissionsschein und damit keinen Anreiz für die Unternehmer, ihre Emissionen zu reduzieren. Zum zweiten obliegt die Erfassung der aktuellen Emissionen und deren Meldung an die Deutsche Emissionshandels-Stelle den Emittenten selbst. Überprüft werden diese Meldungen nicht von der DEHSt, sondern durch eine von ihr beauftragte Privatfirma. Wird ein Emittent beim Schwindeln erwischt, dann setzt es Strafe: Pro Tonne nicht gemeldeten Treibhausgases werden 40 Euro Bußgeld fällig (ab 2008: 100 Euro). Hier fängt jeder halbwegs begabte BWL-Student automatisch zu rechnen an: Angenommen, die Wahrscheinlichkeit beim Schummeln erwischt zu werden, beträgt 10 Prozent, dann ist es bei einem aktuellen Zertifikatkurs von 40 Euro pro Tonne zehn Mal lukrativer, Angaben zu fälschen als die Emissionen zu verringern.

Offenbar eine durch und durch industriefreundliche Regelung. Trotzdem hat die Wirtschaft bereits den Wunsch auf Nachbesserung angemeldet; „Die Unternehmer stellen sich bei der Vergabe der Emissionsrechte quer – und wollen von alten Versprechen nichts wissen“ (taz, 19. Jan. 2004). Die Emissionsberechtigungen der ersten Perioden müssten aufgestockt werden, verlangt sie, weil durch die Stilllegung der Kernkraftwerke die Errichtung konventioneller, CO2 ausstoßender Kraftwerke fällig sei.

Yaab Buchner

freier Autor, Berlin


     Die Redaktion Umwelt, am 1. März 2004 – ugii Homepages –