Umweltpanorama Heft 3 (März 2004) zur Liste | home

„Keines Menschen Wort wird das Letzte sein“

Ein Rundbrief an Schüler aller Jahrgangsstufen

„Keines Menschen Wort wird das Letzte sein“. Dieses Motto gab sich die Royal Society of London im Jahre 1660. Es diente den Mitgliedern als Orientierung beim Forschen und Philosophieren. Wie ist es heute? Gibt es Orientierungen beim Lehren und Lernen?

Gesellschaftliche Orientierungen kann man zum Beispiel in Gesetzen finden. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland steht, das der Staat die allgemeine Bildung in einem staatlichen Schulsystem organisiert und kontrolliert. Genauer ist das Brandenburger Schulgesetz. Dort heißt es: „Das Ziel der Bildung ist junge Menschen zur Anerkennung der Werte des Grundgesetzes und der Landesverfassung zu erziehen, sowie die Entwicklung ihrer Persönlichkeit zu fördern.“

Was aber sind das für Werte, zu deren Anerkennung, ihr zehn Jahre lang erzogen werden sollt? Unter anderem nach Artikel 20a des Grundgesetzes:

„Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen“

Klingt ja ganz logisch: wo keine natürlichen Lebensgrundlagen, da kein Leben mehr. Aber warum steht das im Grundgesetz und warum sollt ihr extra dazu erzogen werden. Die letzte Frage will ich gleich beantworten, weil ich sie für sehr wichtig halte. Ich glaube ihr müsst dazu erzogen werden, zu schützen was Menschen zum Leben brauchen, weil die Menschen in dieser Gesellschaft verlernt haben wie das geht. Viele, oder sogar die meisten sind sich nicht mal mehr im Klaren darüber, dass sie alle drei Sekunden zwei Liter frische Luft zum Atmen brauchen, weil sie sonst sterben würden. Natürlich würde es ihnen sofort wieder einfallen, wenn ihnen jemand Mund und Nase zuhalten würde, aber eben nicht vorher. Wasserverschmutzung ist solange uninteressant bis es stinkend aus dem Hahn oder an der Haustür vorbeifließt, oder einfach wenn keines mehr da ist.

Das klingt nach Gruselfilm, ist aber Realität. In Japan hat sich nach der wirtschaftlichen Entwicklung die Luft in Tokio derart verschlechtert das in den 1970ern Luftautomaten auf den Gehwegen standen an denen man atmen konnte. Auf den Balearen, dem deutschen Urlaubsziel Nr.1, wird das Trinkwasser knapp, weil es durch die Touristenmassen schneller verbraucht wird, als es sich erneuert. In Deutschland haben wir etwa alle vier Kilometer eine sogenannte Altlast, zum großen Teil Deponien, die man wenn sie überwachsen sind als solche nicht mehr wahrnimmt. Sicher, bei allen Beispielen gibt es inzwischen Überlegungen, die Situation und ihre Ursachen zu ändern. Aber erst einmal wurde und wird getan als ob es keine Problem gebe. So nach dem Motto: „Nach uns die Sintflut!“. Und das seit jetzt ihr.

Was aber hat das mit Euch zu tun? Ihr seid kein Bosse und entscheidet nicht in Wirtschaft und Politik. Ihr sollt „alles“ wissen was notwendig ist für „Euer Leben“ und ihr müsst einfach klüger sein und klüger handeln als vorangegangene Generationen. Da gibt es ein paar einfache Sachen neu zu lernen wie zum Beispiel es gibt keine Wirtschaft, kein Konsumprodukt ohne Natur. Amory B. Lovins hat zum Beispiel mal folgendes formuliert 1):

„Die Schreibmaschine die ich gerade benutze, enthält Aluminium, wahrscheinlich aus Jamaika oder Surinam, Eisen aus Schweden, Magnesium aus der Tschechei, Mangan aus Gabun, Chrom aus Zimbabwe, Vanadium aus Russland, Zink aus Peru, Nickel aus Neukaledonien, Kupfer aus Chile, Zinn aus Malaysia, Kobalt aus Zaire, Blei aus Slowenien, Molybdän aus Kanada, Arsen aus Frankreich, Tantal aus Brasilien, Antimon aus Südafrika, Silber aus Mexiko sowie Spuren anderer Metalle aus entfernten Weltgegenden. Der Lack kann Titan aus Norwegen enthalten; die Plastikteile sind aus Erdöl hergestellt, das aus dem Nahen Osten stammt und mit Katalysatoren aus seltenen Erden der USA gekrackt worden ist; sie enthalten Chlor, das mit Quecksilber aus Spanien gewonnen wurde. Der Formsand für das gegossene Metallgestell stammt von einem strand in Australien, die Werkzeugmaschinen für die Herstellung enthielten Wolfram aus China, die Kohle für die erforderliche Energie kam aus dem Ruhrgebiet – und das Endprodukt verbraucht jetzt zu viele skandinavische Fichten in Form von Papier.“

O.K. könntet ihr sagen, der beschreibt seine alte Schreibmaschine, heute gibt es Computer. Was Ihr nicht wissen könnt: Computer brauchen für ihre Herstellung noch viel mehr, so etwa 700 verschiedene Materialien, an die zum Teil sehr schwer heranzukommen ist, große Mengen Erde müssen weggeräumt werden. Vielleicht könnt Ihr Euch jetzt vorstellen das hinter einem 486er-PC etwa 19 Tonnen verbrauchte Rohstoffe stehen. Verbraucht bedeutet hier man kann sie nicht der Natur zurück geben.

Und genau da ist der Punkt: Nach intelligenteren Lösungen suchen, Ihr währt dabei nicht alleine. Im Umweltschutz ist es so ähnlich wie mit den Alien's. Es gibt Menschen in allen Zweigen von Forschung, Wirtschaft und Politik, die mit ihrer ganzen Kraft und Verantwortung nach Möglichkeiten suchen und sie auch finden wie man gut leben kann, ohne die Grundlagen dafür zu zerstören. Meistens stehen diese Menschen nicht in erster Reihe oder dieses Thema ist nicht jenes mit welchem sie in den Nachrichten erscheinen. So kann es gut sein das Ihr keinen von ihnen kennt. Ich aber weiß: Es gibt sie, sie sind unter uns und bald werden auch Einige von Euch zu ihnen gehören.

Zum Schluss will ich noch etwas darüber sagen warum Umweltschutz vor vier Jahren neu in das Grundgesetz aufgenommen wurde. Ich glaube das liegt daran das die oben beschrieben Menschen überall wirken und daran das eben keines Menschen Wort das letzte sein wird. Früher war es wichtig zu erklären das des Menschen Würde unantastbar sein muss. Heute ist es wichtig außerdem noch darauf zu achten das es für die Menschen überhaupt die Möglichkeit gibt weiter zu existieren. Und das ist auch der Grund warum die Vereinten Nationen (UN), das sind fast 200 Länder, in der UN-Umwelterklärung von Rio de Janeiro erklären:

„Die Kreativität, die Ideale und der Mut der Jugend auf der ganzen Welt sollten mobilisiert werden, um die globale Partnerschaft 2) weiter auszubauen, um eine nachhaltige Entwicklung 3) zu erreichen und eine bessere Zukunft für alle zu sichern.“

Christine Schmidt

freie Autorin
Berlin


Anmerkungen

1) Ernst Ulrich von Weizsacker, L.. Hunter Lovins, Amory B. Lovins, Faktor Vier: Doppelter Wohlstand – Halbierter Naturverbrauch, Droemersche Verlagsanstalt 1996

2) „globale Partnerschaft“ bedeutet die Anerkennung, dass die Menschen und Nationen auf der ganzen Welt voneinander abhängig sind und Verantwortung füreinander tragen.

3) Unter „Nachhaltigkeit“ versteht man den Versuch, die natürlichen Lebensgrundlagen gemeinsam mit der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsfähigkeit zu erhalten.


     Die Redaktion Umwelt, am 1. März 2004 – ugii Homepages –