Umweltpanorama Heft 2 (Dezember 2003) | zur Liste | home | ||||||
Blaues Gold Wasser für Plantagen, Energie und Macht |
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Das Jahr des Wassers geht zur Neige aber die Probleme bleiben. Probleme? Schlagzeilen gab es viele in den letzten Monaten. Weniger solche, bei denen es um Schadstoffe oder um des Aales Tod (taz, 23. Sep. 2003) geht, vielmehr solche die gigantische Wassermassen in großen Flüssen und Talsperren bereiten. Privatisierung heißt das Schlagwort, welches die Wassermassen betrifft und das nicht nur beim 3. Welt-Wasser-Forum vom März dieses Jahres sondern auch beim Septembertreffen der Welthandelsorganisation. Nicht nur im Fernen, wie etwa auf den Philippinen, hat die private Wasserversorgung ihren Preis. Auch hierzulande schlagen Experten Alarm, die in dem diesjährigen Wassermangel ausgetrocknete Wasserkraftwerke oder fehlendes Kühlwasser für die Atomkraft nur einen Vorwand für die steigenden Strompreise sehen (Süddeutsche Zeitung vom 28. Juli). Nicht anders sah es bei Obst und Gemüse aus die Hitze kennt nur wenig Gewinner titulierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24. Juli das Geschehen. Das Problem mit der Trockenheit geht in viele Richtungen: Erst leidet die Schifffahrt, dann die Kröten, dann der Wald, wie die Tageszeitung (taz) vom 16. Juli eine andere Facette aufdeckte, die weitreichender und nachhaltiger ist. Doch bleiben wir bei der Privatisierung beim Handel, der mit dem Urquell unseres Lebens zu tun hat. Zwischen Euphrat und Tigris Es gibt kein reineres Bild für Erstarrung und Tod als die Wüste: ohne Wasser kein Leben. Seit biblischen Zeiten hat dieser einfache Zusammenhang die Beziehungen der Menschen im Trockengebiet Naher Osten geprägt. Nicht umsonst geht eine Faszination von der Geschichte früher Hochkulturen aus. Großartige Wasserbauten, Talsperren, Dämme und Deiche, unterirdische Wasserleitungen und Sammelbecken sowie ausgedehnte Kanalsysteme sind Zeugnisse dafür. Viele dieser über 3000 Jahre alten Anlagen sind in Überresten bis heute erhalten. Wenn man allerdings von den Ursachen des Niedergangs der einstmals mächtigen Kulturen erfährt, überkommt einen ein Schaudern. Eine bemerkenswerte Parallele kennzeichnet den Verfall; überall war der Niedergang mit einer Zerstörung der Böden verbunden. Ausgedehnte Karstlandschaften zeugen heute von Raubbau und Bodenzerstörung. Intakte Böden filtern Wasser, verhindern Überschwemmungen, sind die eigentliche Grundlage für den Erhalt der Tier- und Pflanzenwelt und jede menschliche Zivilisation ist auf sie angewiesen. Eine bodenlose Gesellschaft kann nicht überleben. Wo Wasser knapp und die Wüste in greifbarer Nähe, ist dem lebensbedrohlichen Mangel entweder durch gewaltsame Aneignung der Wasservorräte oder aber durch eine Politik komplizierter Wasserrechte begegnet worden. Bis zum heutigen Tag hat sich daran nichts geändert. So gibt es immer noch die Fragen, wie beispielsweise wem gehört das Wasser von Euphrat und Tigris?. Im Jahre 1995 war der Anlass für das Wiederaufflammen eines Konflikts ein Kredit, den die Türkei zum Bau eines Euphrat-Staudammes erhalten hat. Das Projekt wurde von 44 Banken und Investoren aus zehn Ländern, darunter auch Deutschland, finanziert und sollte nach seiner Fertigstellung zunächst privat betrieben werden. Unmittelbar nach bekanntwerden des Projektes veröffentlichten die Außenminister von acht Ländern der Arabischen Liga die sogenannte Deklaration von Damaskus. Darin fordern sie die türkische Regierung auf, einem gerechten multilateralen Abkommen über die Verteilung des Wassers von Euphrat und Tigris zuzustimmen. Schon Mitte der 1960er Jahre plante die Türkei die beiden Flüsse aufzustauen und seit Anfang der 1980er Jahre setzt sie diese Pläne in die Tat um. Das größte Infrastrukturprojekt der Türkei, das nun langsam seiner Vollendung zugeht, soll mit 22 Staudämmen und 17 Wasserkraftwerken den Südosten der Türkei in eine wirtschaftlich florierende Region verwandeln. Einerseits soll das so genannte Güneydogu Anadolu Projesi (GAP, zu deutsch: Südost-Anatolien-Projekt) die Stromproduktion um 70 Prozent steigern und andererseits rund 1,6 Millionen Hektar Land bewässern; eine Fläche, die etwa so groß ist wie Thüringen. Nach dem Jahr 2005 sollen dann in Südostanatolien, so die Überlegung, erst zwei, später sogar bis zu drei Ernten jährlich eingebracht werden Baumwolle, Schnittblumen und Gemüse für den Export. Langfristig, bis zum Jahr 2020, sollen verschiedenste Industrien 1,1 Millionen Arbeitsplätze schaffen. Doch oft ist Wasser im Nahen Osten die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Denn nicht nur die Türkei schlägt sich um das kostbare Nass. Um die neuen Becken zu fluten, zwackt die Türkei bisweilen so viel Wasser vom Euphrat ab, dass die syrischen Wasserkraftwerke schwächeln. Im Gegensatz zu Syrien, das einen Großteil seines Wassers aus dem Euphrat bezieht, kann der Irak wenigstens noch auf den Tigris zurückgreifen. Nach wie vor bestehen die beiden Länder darauf, dass das Wasser von Euphrat und Tigris internationale Ressourcen darstelle, die gemäß internationalen Rechtsregeln geteilt werden müssen. Ankara jedoch zieht sich auf eine Position zurück, die unter Völkerrechtlern als veraltet gilt: Euphrat und Tigris entspringen in der Türkei und damit gehöre deren Wasser auch der Türkei. Auf der anderen Seite hat Jordanien das Problem, als letzter Anrainer des Jordans, dass insbesondere Syrien und Israel sich hemmungslos an dessen Wasser bedienen. Zwar wurde schon in den 1950er Jahren mit dem sogenannten Johnston-Plan, einem detaillierten, internationalen Kontrakt zur Nutzung des Jordanwassers, versucht seine Verteilung zu regeln, doch so recht hält sich keiner daran. So bestimmen Euphrat, Tigris und Jordan, wie in alten Zeiten, das Schicksal von mehr als einem halben Dutzend Staaten.
Doch dass dem Irak nur noch ein Rinnsal des Euphrat bleibt, ist eher unwahrscheinlich, denn die Machtpositionen haben sich inzwischen geändert. Heute ist es soweit, dass der Bechtel-Konzern nach 20 Jahren andauernden Bemühungen, die öffentliche Wasserversorgung im Irak kontrollieren kann. Dass der US-Multi nicht nur soziale Interessen am Wiederaufbau des Irak hat, lässt sich beispielsweise an seinem Engagement bei der Kontrolle der indischen (Dabhol-Kraftwerksprojekt) und bolivianischen (Wasserversorgung von Cochabamba) Wasserressourcen ablesen: Proteste der Bevölkerung wurden einfach niedergeschlagen. Doch in Bolivien wurde der Konzern im April letzten Jahres vertrieben, nachdem heftige Proteste gegen die privatwirtschaftlichen Wasserpreise den Staatspräsidenten und Bergbauunternehmer Sánchez de Lozada zum Umdenken zwang. Aber vielleicht ist der Konzern auch einfach gegangen, weil ein lukrativeres Geschäft winkte. So bitter es auch klingen mag, das Niederschlagen machtloser Bevölkerungsgruppen oder der militärische Zwang zur Umsiedlung scheint mit der Ressource Wasser Tradition zu haben, das wohl in den Jahren 1976-83 in Guatemala mit dem Bau des Staudamms von Río Chixoy seinen Höhepunkt fand. Sehr viele von denen die sich gegen den Bau organisierten, verschwanden oder wurden ermordet. Ganz gleich wo man hinschaut, wirklich friedlich wurden Staudämme nur selten gebaut. Die am 1. Juli dieses Jahres begonnene Flutung der drei Schluchten Qutang, Wixia und Xiling, mit dem Wasser des Jangtse, ist auch nur ein Beispiel dafür. Eine dezentralisierte Ressourcenverteilung, die auch von Mahatma Gandhi propagiert wurde, wirft eben kaum Kommissionszahlungen für die Mächtigen ab und die Kleinprojekte stehen in keinem Verhältnis zur Dimension der internationalen Finanzwirtschaft. Rückhaltebecken für trockengelegte Überschwemmungsgebiete Die Fragwürdigkeit, manchmal sogar Nutzlosigkeit, solcher Projekte kann auch in Europa beobachten werden. Entwicklungsgelder beispielsweise der Europäischen Kommission oder Export beziehungsweise Hermes-Bürgschaften werden nur zu gerne genutzt um Trockengebiete zu Industrialisieren oder Baufirmen zu subventionieren. Die Macher unter den fortschrittsliebenden Europäern konnten schon lange gute Argumente sammeln, um den Bau der Dämme zu rechtfertigen. Strom hieß und heißt das Zauberwort. Aber sie waren noch einen Schritt dreister. Um den Bau der Talsperren zu rechtfertigen wurden die Überschwemmungsgebiete zur Bewirtschaftung trocken gelegt um so die Talsperren zu rechtfertigen. Regelungstechnik im ganz großen Stile. Das ließ manches Herz höher schlagen. So tönte auch Ivan Simko, Vorsitzender der Kommission für Katastrophenfragen in Slowenien nach der Sommerflut 2002: dem Kraftwerkssystem haben wir es zu verdanken, dass das Donauhochwasser keine nennenswerten Schäden anrichtete. Abgesehen davon, dass die Überschwemmungsgebiete der Donau in Ungarn noch weitestgehend intakt sind (Polderfelder und Auwaldhaine) beschwor er wieder den alten Streit, da er gleichzeitig für einen weiteren Ausbau des Wasserkraftwerks Gabcikovo an der Grenze der beiden Donauanrainer plädierte. Das seit dem Jahre 1977 vereinbarte und bis heute nicht völlig beendete Megaprojekt mit 25 Kilometern Länge und einer Breite bis 730 Metern stellt in seiner Gigantomanie selbst den Suezkanal in den Schatten. Heftige Kritik an diesem Projekt in der ungarischen Öffentlichkeit veranlassten die ungarische Regierung im Mai 1989 die Arbeiten am Nagymaros-Staudamm einzustellen, wodurch am anderen Ende des Kanalsystems das Donau-Kraftwerk Gabcikovo nicht voll arbeiten kann. Seit 1992 auch ein Fall für den Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Unter dem Staugebiet entlang der gemeinsamen Staatsgrenze liegt das größte Grundwasserreservoir Mitteleuropas, wovon unter anderem die Zwei-Millionen-Metropole Budapest einen Großteil des Trinkwassers bezieht. Gabcikovo gilt deshalb für die Ungarn als Inbegriff für spätstalinistische Umweltzerstörung. Franquistische Umweltzerstörung nennen es die Bauern im Westen Europas, die mit den Stauprojekten Itoiz, Orgiva, Tagus etc. und der Umkanalisierung des Rio Ebro um ihre traditionelle Lebens- und Produktionsweisen, in Respekt vor Amalurra (baskisch: Mutter Erde), betrogen werden. Und das ist genau der Punkt, weswegen Wasserprojekte wie Staudämme am Rande moralischer Abgründe stehen. Der nationale Wasserplan für die iberischen Halbinsel sieht Baumaßnahmen von pharaonischer Größenordnung vor, die unter anderem 113 neue Staudämme in ganz Spanien mittels Entwicklungsgelder entstehen lassen sollen. Regulierungsmaßnahmen, die insbesondere dem trockenen Süden des Landes das Wasser verschafft, das zur Bewässerung der Tomaten-, Orangen- und Pfirsichplantagen nötig ist; dass von diesen Plantagen die Exportgewinne nicht in die Taschen der Kleinbauern fließen, bedarf wohl keiner weiteren Erwähnung. Der Kampf zwischen vielen Davids und wenigen Goliaths verschärft sich umso mehr, als parallel dazu mediterrane Megahotels aus dem Erdboden gestampft werden, deren künftige Bewohner ihr Wasser sicher nicht von zu Hause mitbringen werden. Wie wichtig den wenigen Goliaths all solche Projekte sind, lässt sich an der Militarisierung um den Embaise de Itoiz ableiten, wo inzwischen vier Kasernen der Guardia Civil dem funktionalen Schutze der Talsperre dienen. Eine gewisse Hoffnung der Davids basiert auf dem Ebro-Delta, das schon jetzt zu versalzen droht, da die inzwischen schon reduzierten Wassermengen durch die Umleitung des Ebros dem Druck des Mittelmeeres nicht standhalten können. Ein riesiges Naturschutzgebiet, das nach der EU Wasserrahmen-Richtlinie schützenswert sein sollte und somit die Entwicklungsgelder den Bauherrn abgezwackt werden könnte. Schluss Ob im Zweistromland oder im Abendland oder irgendwo anders auf der Erde, die Szenarien sind überall die Gleichen. Und es ist wohl zu befürchten, dass die Inderin Vandana Shiva, Trägerin des alternativen Nobelpreises, oder die kanadischen Bürgerrechtler Maude Barlow und Tony Clarke recht behalten könnten: Die Geschäfte und damit auch die Kriege des 21. Jahrhunderts gehen um Wasser, ums Blaue Gold. Dr. Heinz Wohlgemuth Kurz notiert, Heft 5, August 2004 Stopp für Nationalen Wasserplan in Spanien Spaniens neue Regierung hat den umstrittenen Nationalen Wasserplan der konservativen Vorgängerregierung gestoppt. Es ist unsinnig Wasser aus 900 Kilometer heranzuschaffen begründete Spaniens Umweltministerin die Entscheidung. Statt den trockenen Süden mit Wasser aus dem Ebro im Norden zu versorgen, will die Regierung jetzt Meerwasser entsalzen. (taz, 19./20. Juni 2004 und SZ, 13. Juli 2004)
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Die Redaktion Umwelt, am 16. August 2004 | ugii Homepages |